Das als Auftakt der neuen Buchreihe „Praxisbegleiter Inklusion“ erschienene Bändchen stellt einen zentralen Gelingensfaktor schulischer Inklusion in den Mittelpunkt: Die „multiprofessionelle Koope- ration des gesamten schulischen Personals“ (S. 14). Ausgehend von der gut begründeten These, dass inklusive Schulentwicklung als whole school approach zu gestalten sei und Teamentwicklung und Teamkooperation den „Ausgangspunkt einer nachhaltigen, inklusiven Unterrichts- und Schulentwick- lung“ (S.5) bilden, geht es in den sieben Kapiteln dieses überzeugend strukturierten Buchs um die vielen Facetten erfolgreicher Teamarbeit im ganzen Kollegium.
Das Autorenteam rekurriert auf empirisch gewonnene Erkenntnisse aus den Forschungsprojekten GeSchwind an Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz und wendet sich damit primär an die Akteurin- nen und Akteure im schulischen Feld. Das Buch gibt ihnen mit dieser gut handhabbaren Einführung in Formen professioneller Kooperation, den Aufbau angemessener Kooperationsstrukturen und den Umgang mit Stolpersteinen eine zuverlässige Praxishilfe an die Hand. Das erprobte und refl ektierte Grundwissen über eine Kernaufgabe inklusiver schulischer Bildung wird Lehrkräften, pädagogischen Fachkräften und Schulleitungen gleichermaßen zugänglich gemacht. Die zentrale Botschaft lautet: Die Zeiten pädagogischen Einzelkämpfertums sind vorbei, der Schüssel zu gelingender Schul- und Unter- richtsentwicklung liegt in einer „kooperativen Berufskultur“ (S.14). Teamarbeit hilft dabei, den inklu- siven Unterricht für alle gewinnbringender zu gestalten, reduziert die Arbeitsbelastung der Pädagogin- nen und Pädagogen, ermöglicht einen nachhaltigen Kompetenztransfer untereinander und befördert damit auch die individuelle Professionalisierung.
Wer bei „Erkenntnissen aus empirischen Studien“ nun eine Wiedergabe unübersichtlicher Zahlen- kolonnen befürchtet, möge beruhigt sein: Der Rezensent hatte bei der Lektüre eher das angenehme Gefühl, in die vielfältigen Gespräche, Überlegungen, Planungen und Bedenken der Teams einbezogen zu sein, die in den zahlreichen Auszügen aus den geführten Gruppeninterviews wiedergegeben werden. Die Erkenntnisse aus der Praxis sind in der Tat auf attraktive Weise für die Praxis aufbereitet. Die leser freundliche Gestaltung dieses Bändchens ist bemerkenswert. Das gefällige Layout, Hervorhebun- gen durch Rahmen, prägnante Zusammenfassungen und Abbildungen, Hinweise auf nützliche Adres- sen, Fortbildungsmöglichkeiten und Ansprechpartner, weiterführende Literatur und Internetlinks, die Wieder gabe von Interviews, praktische Tipps für die Arbeit im Team, konkrete Beispiele und Spiele für teambildende Maßnahmen uvm. sind informativ, erhöhen Verständlichkeit und Lesefl uss und stellen einen echten Gewinn für die Leserinnen und Leser dar. So muss ein „Praxisbegleiter“ aussehen!
In Kapitel 4 werden zudem förderliche schulorganisatorische Strukturen aufgeführt, die eine gute Ent- wicklung inklusiver Kulturen, Strukturen und Praktiken sichern können. Hier ist etwa an zeitliche Rahmen und Ressourcen zu denken, an die Implementierung von Steuerungsgruppen und Präsenz- zeiten. Dabei werden wesentliche Aufgaben von Schulleitung identifi ziert (Initiator, Begleiter, Manager, Coach …), welche die „zentrale Position der Schulleitung“ (S.67) in der inklusiven Schulentwicklung kennzeichnen. Da in den meisten Kapiteln sowohl Schulleitungen als auch Kollegien adressiert werden, ist eine Teamentwicklung auf Basis der gemeinsamen Textlektüre durchaus vorstellbar.
Als sehr anregend sei der Exkurs (Kap. 5.3) über Sprache und unterrichtliche Praktiken empfohlen, der die Wirkmacht von Sprache in Bezug auf die als „Zwei-Gruppen-Theorie“ (S.83) kritisierte Pro- blematik der Etikettierung, Besonderung und leider auch oft Diskriminierung einzelner Kinder („das I-Kind“) oder bestimmter Gruppen („die Förderschüler“) thematisiert und ein Plädoyer für einen sprachsensiblen Umgang darstellt. Schade, dass es sich dabei nur um einen kurzen Exkurs handelt, hier hätte man sich vom „Praxisbegleiter“ noch mehr Hilfestellung gewünscht, um das eigene Bewusst- sein dafür noch weiter schärfen zu können.
Die Beispiele und Empfehlungen des Buchs basieren auf in Rheinland-Pfalz gewonnenen Erfahrun- gen und Erkenntnissen. Sie sind jedoch, da ist dem Autorenteam uneingeschränkt zuzustimmen, leicht übertragbar auf die Situation in anderen Bundesländern und haben daher hohe Relevanz für alle Leserinnen und Leser. Allerdings sind auch die praktischen Tipps, Adressen und Hinweise auf Unterstützungsmöglichkeiten und Fortbildungsangebote in Kapitel 6 leider sehr auf Rheinland-Pfalz begrenzt. Bei einer Neuauflage wäre es hilfreich, wenn dort bundesweite Bezüge hergestellt werden könnten. Das Autorenteam will, so der eingangs formulierte Anspruch, Erkenntnisse aus Forschungs- projekten „als Impulse aus der empirischen Praxisforschung für (die) Praxis zugänglich machen“ (S.18), dabei Hintergrundwissen vermitteln, aber auch ein grundlegendes Bewusstsein für die Not- wendigkeit von Teamentwicklung und Teamkooperation fördern. Wenn man dieses Buch als fundierte Einführung in diesen Themenkreis versteht, ist dies, so mein Fazit, wirklich gelungen.
Michael Klein-Landeck
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