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Psychische Störungen im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung: Grundlagen und Handlungsoptionen in Schule und Unterricht
Schäfer, H. & Mohr, L. (Hrsg.) (2018). Weinheim: Beltz. ISBN 978-3-407-25785-7

Psychische Störungen bei geistiger Behinderung stellen derzeit eines der aktuellsten Themen in der Geistigbehindertenpädagogik dar. Der Schulleiter Holger Schäfer und der Dozent der HfH Zürich Lars Mohr haben 2017 diese Situation für den Bereich der Schule zum Anlass genommen, einen Fachtag in Zürich zu organisieren. Der vorliegende Band stellt jedoch weit mehr als einen Tagungsband dieser Veranstaltung dar. Durch die Auswahl der Redner bzw. Autoren und durch engagiertes und konsequentes herausgeberisches Wirken haben die beiden einen Überblicksband geschaffen, den man auch als Lehrwerk verstehen kann und der sich damit von der ursprünglichen Tagung nachhaltig weiterentwickelt hat und für sich selbst steht.

Der Band ist in einem ansprechenden und bunten Cover in der Reihe Beltz Pädagogik erschienen, der sich damit äußerlich zunächst als Buch für die Praxis präsentiert. Ein zweiter äußerlicher Hinweis ist zwar sehr dezent erst auf der Rückseite erkennbar, nämlich die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für seelische Gesundheit bei Menschen mit geistiger Behinderung e.V (dgsgb). Diese weist verlässlich darauf hin, dass es sich um sehr fundierte Informationen aus wissenschaftlichen bzw. aus etablierten Praxiskontexten handelt.

Der Band gliedert sich in drei Teile: Grundlagen, Spezifika und Praxisprogramme. Im Bereich der Grundlagen haben die Herausgeber zunächst einen sehr grundlegenden Beitrag verfasst, der in alle Fakten und Zusammenhänge des Themas einführt. Bereits dieser erste Beitrag ist garniert mit Fallbeispielen und Hinweisen zu weiterführender Literatur, wie dies auch bei allen nachfolgenden Beiträgen der Fall ist. Die drei weiteren Beiträge dieses ersten Abschnitts greifen weitere grundlegende Themen auf, die sich insbesondere dem interdisziplinären Aspekt dieses Themas widmen, der Zusammenarbeit von Psychiatrie und Sonderpädagogik (Grüter; Preiss; Klauß). Dies wird auch an den verschiedenen Professionen der Autoren zwischen Psychologie, Psychiatrie und Sonderpädagogik ersichtlich. Ein weiterer interessanter Gesichtspunkt des Bands wird hier auch deutlich, nämlich, dass Praktiker aus der Schweiz und Deutschland zu Wort kommen. Das besondere Potential dieser Mischung ist, dass hier der Blick über den Tellerrand bei einem Thema, das gerade erst sichtbar wird, besonders wertvoll ist. Wie ist das im jeweils anderen Land geregelt? Gibt es hier Ideen, die das andere Land anregen können?

Auch wenn der zweite Abschnitt „Spezifika“ weniger systematisch ist, so greifen die sieben Beiträge sehr wichtige Themen auf. Gibt es Zusammenhänge mit bzw. Beachtenswertes bei genetischen Syndromen (Sansour & Reuner)? Schirmer thematisiert das Autismus-Spektrum, Mayer Trauma-Pädagogik, Rihs und Ruben Epilepsie. Einen anderen Fokus legen Lutz und Walder mit Blick auf Eskalationen und Schanze auf Psychopharmakologie. Schließlich stellt Steinhausen das derzeit wohl verbreitetste diagnostische Verfahren für das Thema umfassend vor, den Verhaltensfragebogen bei Entwicklungsstörungen (VFE).

Der letzte Abschnitt über Praxisprogramme wird wiederum mit einem grundlegenden Beitrag über die praktische Zusammenarbeit zwischen Schulen und der Kinder- und Jugendpsychiatrie von Hennicke eingeleitet, der das Feld systematisch absteckt und konkrete Empfehlungen gibt. Sappok und Feuerherd weisen auf die Besonderheit der Kombination von geistiger Behinderung und psychischen Störungen hin und weisen auf Möglichkeiten der Einschätzung von Problemen hin, die sie „Red Flags“ nennen. Die beiden letzten Beiträge (Ruchti; Aebischer & Stauffenegger) zeigen sehr interessante konzeptionelle Beispiele und Erfahrungen auf, die in zwei stationären Schweizer Einrichtungen gemacht wurden.

Somit liegt ein sehr umfassender Band vor, der in die gesamte Bandbreite des Themas einführt. Die Fallbeispiele illustrieren gelungen, und die Hinweise auf weiterführende Literatur helfen der Leserin und dem Leser, sich gezielt in die Diskussionen weiter einzulesen, die sie oder ihn interessieren. Beide weisen auf die engagierte Herausgeberschaft hin, die sich sehr bemüht, Wissenschaft und Praxis zusammen zu bringen. Ein Band, der in keiner Schulbibliothek fehlen sollte!

Christoph Ratz

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