Über Inklusion wird im Moment viel diskutiert und auch geschrieben. Sich im Dschungel der Ratgeber, theoretischen Abhandlungen und gesetzlichen Grundlagen zurechtzufinden, ist manchmal nicht leicht. Dank Annette Leonhardt als Herausgeberin mit einem sachkundigen Team von weiteren Autorinnen (Claudia Gräfen, Kirsten Ludwig, Melanie Pospischil) und Autoren (Thomas Kaul, Jürgen Wessel) an der Seite, liegt nun für den Förderschwerpunkt Hören ein umfassendes Fach- und Lehrbuch zum Thema Inklusion im Förderschwerpunkt Hören vor. In fünf Kapiteln findet man in guter Systematik die grundlegenden Fragen im Zusammenhang mit der inklusiven Unterrichtung Hörgeschädigter behandelt. Der Fokus liegt dabei erklärtermaßen auf peripher Hörgeschädigten.
Durch wissenschaftliche Genauigkeit, eine dabei verständliche Sprache und viele praktische Verknüpfungen kann der Leser zu einem grundlegenden Verständnis der Besonderheiten im Lernprozess hörgeschädigter Schüler gelangen. Dabei kann er die Kapitel unabhängig voneinander in beliebiger Reihenfolge lesen und so nach und nach immer intensiver in das Thema eindringen. Wesentlich für jeden Lehrer sind sicherlich die umfassenden Ausführungen zur praktischen Umsetzung im Schulalltag. Durch die Einbeziehung historischer, empirischer, organisatorischer, didaktisch-methodischer und zahlreicher praxisbezogener Aspekte werden Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinen Schulen in die Lage versetzt, die Spezifik der Hörgeschädigtenpädagogik zu erfassen und notwendige Konsequenzen für den gemeinsamen Unterricht zu entwickeln.
Besonders umfassend werden die Besonderheiten beim Spracherwerb Hörgeschädigter dargestellt. Damit ist es möglich, dass der Leser zu einem tiefen Verständnis für die Besonderheiten und die speziellen Bedürfnisse, aber auch Ressourcen Hörgeschädigter gelangt. Daneben werden weitere interessante Aspekte, wie die Rolle der Eltern, Hörgeschädigte mit Migrationshintergrund, das Thema gehörlose Eltern, Gebärdensprache und bilingualer Unterricht, Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern und vieles mehr zum Teil sehr detailliert betrachtet.
Ergänzend kann sich der geschichtlich interessierte Leser über die lange und eindrucksvolle Geschichte der Hörgeschädigtenpädagogik und die sehr frühen Bestrebungen nach einer gemeinsamen Unterrichtung hörgeschädigter mit guthörenden Kindern informieren.
Obwohl das Buch sehr genau und umfassend die Besonderheiten in der Entwicklung und der schulischen Bildung Hörgeschädigter beschreibt, kann und soll es die Fachkompetenz von gut ausgebildeten und erfahrenen Hörgeschädigtenpädagogen nicht ersetzen. Es kann aber auch für diese Gruppe Anregungen und Unterstützung bieten. So sind zum Beispiel die Ausführungen zur kognitiven Entwicklung auch für Fachleute interessant, weil differenzierte Fragen aufgeworfen und beleuchtet werden. Ebenso lohnt sich die Beschäftigung mit dem Thema Unterrichtung von gebärdensprachlich kommunizierenden Schülern in Allgemeinen Schulen mit Unterstützung von Dolmetschern. Darüber hinaus bietet das Buch gute Anregungen bei der Konzeption und inhaltlichen Ausgestaltung von Fortbildungen für Lehrer an Allgemeinen Schulen, die von allen Schulen und Förderzentren mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation regelmäßig angeboten werden.
Kathrin Knobloch
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