Bereits seit dem Frühjahr 2011 engagiert sich die Offene Behindertenarbeit (OBA) der Lebenshilfe Bamberg für mehr inklusive Erwachsenenbildung, statt weiterhin ein eigenes exklusives Bildungsangebot für erwachsene Menschen mit Lernschwierigkeiten fortzuschreiben. Gemeinsam mit den Volkshochschulen Bamberg Stadt und Land mündete dies 2014 in ein dreijähriges Inklusionsprojekt, das inzwischen Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen Partizipation an den beiden Volkshochschulangeboten ermöglicht. Die Erfahrungen bei der Umsetzung sowie die erzielten Ergebnisse sind Gegenstand des im November 2018 erschienenen Praxishandbuchs des Leiters der Offenen Behindertenarbeit, Michael Hemm. Aufgezeigt wird der erfolgreiche Prozess, Inklusion in Kooperation von Akteurinnen und Akteuren der Behindertenhilfe und der Volkshochschule vor Ort zu realisieren. Die gefundenen Antworten auf die sich aus dem Inklusionsprozess ergebenden Fragen und das schrittweise Vorgehen werden gut nachvollziehbar und mit einer Vielzahl von nützlichen Materialien dargestellt. Ebenso werden die Unterstützungsmöglichkeiten bei den unterschiedlichen Behinderungen sowie die Übertragbarkeit inklusiver Teilhabe auf die Bereiche Freizeit, Sport und Kultur aufgezeigt. Alle genannten Themenbereiche werden detailliert beschrieben.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Inklusion ist die individuelle Unterstützung des Menschen mit Behinderung bei der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme. Naheliegend für die Offene Behindertenarbeit war die Ausweitung und Anpassung des bereits vorhandenen Assistenzmodells für Menschen mit Lernschwierigkeiten auf die Begleitung bei Erwachsenbildungsangeboten. Solche in Bamberg gefundenen Wege können allerdings nicht als alleinige Lösungsansätze wahrgenommen werden. Vielmehr sollte zum Beispiel die hier beschriebene „Assistenz“ als eine der in Bamberg gut bewältigten Herausforderungen gesehen werden. Trotz der kreativen Ideen und realisierten Wege müssen die lokalen Lösungsansätze individuell an das jeweilige Erwachsenenbildungsangebot angepasst werden, je nach den Gegebenheiten vor Ort.
Bei der Umsetzung an anderen Orten sollte der beschriebene hohe Aufwand nicht beunruhigen, der angesichts einer Projektfinanzierung in Bezug auf die Partizipation an der Angebotsauswahl und deren Darstellung in „Leichter Sprache“ in Bamberg betrieben werden konnte. Dies ist für Menschen mit Lernschwierigkeiten sicher das Optimum. Auf Grund des Umfangs der Volkshochschulprogramme stellt sich hier perspektivisch die Frage eines pragmatischen und effizienten Vorgehens, das vielen Menschen einen Zugang zu möglichst vielen Angeboten ermöglicht.
Ein Lösungsansatz wäre hierbei, bei Programmankündigungen alles in „einfacher“ Sprache und ohne Fremdwörter darzustellen. Eine begrenzte Vorauswahl und die Programmwerbung in „Leichter Sprache“ primär für die Zielgruppe „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ sollte nur eine Übergangslösung sein, um diese für Erwachsenenbildung zu gewinnen. In Bamberg melden sich inzwischen einige wenige Menschen mit Behinderung direkt an der Volkshochschule an und benötigen hierzu keine Unterstützung mehr, andere finden den Weg bisher leider noch nicht. Visionär wäre, wenn Menschen mit Lernschwierigkeiten in einigen Jahren ohne Vorauswahl aus dem Volkshochschulprogramm auswählen könnten, weil dessen gut verständliche Kursankündigungen Interesse und Lernmotivation wecken.
Fazit: Mit diesem Praxisleitfaden und seinen detaillierten Auflistungen zu allen wichtigen Themenbereichen ist eine beeindruckende „Gebrauchsanleitung“ für die Verbesserung von kultureller Teilhabe und Inklusion in der Erwachsenenbildung gelungen. Konzept und organisatorische sowie pädagogische Umsetzung sind anschaulich beschrieben und belegen, dass inklusive Erwachsenenbildung realisierbar ist. Beispielhafte Orientierung bietet auch die positive Haltung zu Inklusion und die Bereitschaft der Behindertenhilfe sowie der Volkshochschulen Stadt und Land, sich für die notwendigen Abstimmungs- und Veränderungsprozesse intensiv zu engagieren. Trotzdem stellt sich nach dem Ende der Projektfinanzierung nun in Bamberg die Herausforderung, ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen zu schaffen, um eine Fortführung der positiven Entwicklung zu gewährleisten. Die Politik ist gefordert, bei der Finanzierung von Erwachsenenbildung und Behindertenhilfe die Förderung von Inklusion stärker zu unterstützen. Hier wäre noch erheblich mehr einzufordern, als die nun in Bamberg gemeinsam entwickelten Finanzierungsstrategien. Insofern sollte dieses Leuchtturmprojekt auf Bezirks- und Landesebene noch stärker bekannt gemacht werden, um dringend notwendige Veränderungsprozesse allerorts zu fordern und zu fördern.
Michael Galle-Bammes
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