Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Benutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu und akzeptieren unsere Datenschutzerklärung.
Handbuch der Hilfen zur Erziehung
M. Mascenaere, K. Esser, E. Knab, S. Hiller (Hrsg.) (2014)

Das Handbuch stellt den umfassenden Versuch dar, unter Einbezug einer interdisziplinären Sichtweise über die verschiedenen aktuell diskutierten Formen der Hilfen zur Erziehung fachwissenschaftlich und zugleich äußerst praxisrelevant zu informieren. In dem thematisch sehr breit angelegten Handbuch – und dies ist die große Stärke dieses Buchs – wird von über 100 ausgewiesenen Experten im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ein äußerst fundierter Überblick über die aktuellen rechtlichen Grundlagen der Erziehungshilfe, die verschiedenen Wohnformen, die (sozial-) pädagogischen Ansätze, die einzelnen Leistungsbereiche und Handlungsfelder der Erziehungshilfe sowie die jeweiligen Aufgabenschwerpunkte der verschiedenen Akteure gegeben
Das Buch umfasst über 600 Seiten und gliedert sich in acht inhaltlich übergeordnete Teile, um die thematische Breite der Erziehungshilfe für den Leser nachvollziehbar werden zu lassen, was den Autoren und Autorinnen überaus gut gelingt.

Im ersten Teil „Einführung“ erfolgt in verschiedenen Beiträgen eine sehr gelungene interdisziplinäre Annäherung an den Themenbereich Hilfen zur Erziehung. Zunächst wird ein knapper und dabei fundierter Abriss wichtiger historischer Meilensteine der Erziehungshilfe vom Mittelalter bis zur Gegenwart gegeben. Im Anschluss werden die Erziehungshilfen vor dem Hintergrund amtlicher Statistiken betrachtet, unter besonderer Berücksichtigung der Zunahme von Hilfen der Erziehung. Die beiden letzten Beiträge des ersten Teils fokussieren das SGB VIII aus juristischer Perspektive zunächst in Form eines Überblicks der rechtlichen Grundlagen und anschließend die besondere Verantwortung des Staats gegenüber den Familien in einer stetig komplexer werdenden Gesellschaft sehr verständlich und informativ.

Der zweite Teil „Hilfearten und Gewährungsgrundlagen“ informiert den Leser dem Themenbereich angemessen, zunächst umfassend, dabei strukturiert und sehr gut verständlich über die gesetzlich geregelten Hilfearten. Anschließend erfolgt ein Einblick in die Gewährungsgrundlagen der Entscheidungen zu den jeweiligen Hilfen zur Erziehung.

Im dritten Teil „Akteure“ erfolgt eine ebenfalls detaillierte und sehr lesenswerte Darstellung der verschiedenen, Verantwortung tragenden Institutionen im Kontext der Erziehungshilfen und ihren jeweiligen spezifischen Aufgabenbereichen (u.a. Jugendamt, öffentliche, private und freie Träger). Der vierte Teil „Politik/Verwaltung“ thematisiert relativ knapp die politische und verwaltungstechnische Perspektive auf die Erziehungshilfen. Hier werden zunächst die spezifische Bedeutung und Verantwortung von Bund und Ländern sowie die der kommunalen Spitzenverbände und des Jugendhilfeausschusses fundiert erörtert.

Einen Schwerpunkt des Handbuchs – und gleichzeitig einer der nach meiner Einschätzung herausragenden Teile – bildet der fünfte Teil „(Sozial)Pädagogische Ansätze“. Hier erwartet den Leser ein sehr breit gefächerter Einblick in die verschiedenen (sozial-) pädagogischen Handlungsansätze außerschulischer und auch schulischer Erziehungshilfen, wobei der Schwerpunkt hier, nachvollziehbarer Weise, stärker auf den außerschulischen Ansätzen liegt. Neben Theorien und Konzepten, wie der Sozialraumorientierung, der Alltags- und Traumapädagogik, Konsequenzen für die Bindungs- und Beziehungsgestaltung, resilienzorientierten Ansätzen sowie dem Konzept „New Authority“ in der stationären Jugendhilfe von Haim Omer, werden ressourcenorientierte pädagogische Ansätze, wie die Erlebnispädagogik, Konzepte der Psychomotorik, der Musik- und Kunstpädagogik, der tiergestützten Pädagogik sowie der Zirkuspädagogik durchgängig bezogen auf die Anwendbarkeit im Kontext der Erziehungshilfe näher erläutert.

Der interessierte Leser findet zudem zahlreiche wertvolle Hinweise zur vertiefenden Lektüre. Ergänzend wären meines Erachtens stärker pädagogisch-psychologische orientierte Maßnahmen im Kontext evidenzbasierter Methoden und Trainings gewinnbringend.

Im Teil 6 „Interdisziplinäre Kooperationen“ werden in sehr pointierter Weise und dabei aus den jeweiligen Fachdisziplinen fundiert die qua Verantwortung und Aufgabenfelder der Erziehungshilfe gegebenen interdisziplinären Kooperationen, aber auch Kooperationspotentiale im Sinne eines Netzwerks der Hilfen dargestellt und kritisch-konstruktiv im Sinne einer stetigen Weiterentwicklung diskutiert.

Der siebte Teil „Organisation und Struktur der erzieherischen Hilfen“ fasst wesentliche Aspekte der Finanzierung von Hilfen, der Organisation sowie Struktur der Leistungserbringung, des Qualitätsmanagements und die sich daraus ergebende Bedeutung von Evaluation ebenfalls fundiert zusammen.

Dem abschließenden achten Teil „Lehre und Forschung“ kommt besondere Beachtung zu, da hier sowohl die Ausbildung und Lehre und damit die Qualitätsansprüche und -realitäten von einer zukünftigen Erziehungshilfe zum Einen grundgelegt werden, zum Anderen erfolgt eine nähere Fokussierung auf forschungsrelevante Aspekte, wie die Betrachtung qualitativer Forschungsdesigns sowie Möglichkeiten und Grenzen evidenzbasierter Praxis in den Erziehungshilfen. Darüber hinaus werden zentrale Kriterien für eine nach meiner Sicht zwingend erforderliche Evaluation im Kontext der Erziehungshilfen beleuchtet. Äußerst interessant sind auch die zusammenfassenden Darstellungen zur Wirksamkeitsforschung, deren konkrete Erkenntnisse, den nachweisbaren Wirkfaktoren in der Erziehungshilfe sowie der erweiterte Blick auf europäische Tendenzen in der Jugendhilfe.

Das Buch schließt mit einer zusammenfassenden Skizzierung wesentlicher, erfolgversprechender Gelingensbedingungen für ein auch zukünftig hochwertiges Angebot der Hilfen zur Erziehung. Beim eigenen intensiven Studium des Handbuchs wurde mir als stärker schulisch orientiertem Wissenschaftler und Förderschullehrer mit dem Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung – mal wieder – die ungeheure Komplexität und thematische Bandbreite sowie die jeweiligen Verantwortungsbereiche und Kompetenzen der verschiedenen Akteure und Institutionen im Kontext der Hilfen zur Erziehung deutlich. Hierüber so umfassend fachkompetent und interdisziplinär zu informieren, war das Anliegen der Herausgeber und Autoren des Handbuches. Dies gelingt nach meiner Einschätzung in herausragender und dabei aus Lesersicht sehr verständlicher Weise. Damit ist das Buch als umfassendes, grundlegendes Lehrbuch sowohl für Dozierende und Studierende der Studiengänge zur schulischen und außerschulischen Erziehungshilfe als auch als begleitendes Nachschlagewerk für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in allen Arbeitsfeldern der Jugendhilfe sehr zu empfehlen.

Thomas Hennemann

zurück
Information