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Respektvolle Begegnungen
Kurt Jacobs (2014)

Seit dem Jahr 1981, dem „Internationalen Jahr der Behinderten“ formierte sich öffentlicher Widerstand von Betroffenen gegen die Segregation in Großeinrichtungen, die dort oft vorzufindende Bevormundung und die zum Teil menschenunwürdigen Lebensbedingungen.
Es war der sichtbare Beginn eines langen Kampfes für ein selbstbestimmtes Leben und die gleichen Menschenrechte für alle, der seinen vorläufigen Höhepunkt in der am 26.03.2009 von der BRD ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention fand.
Zwischenzeitlich gibt es eine Reihe von Aktionsplänen und Maßnahmen auf Bund-, Länder- und Kommunalebene, die sich z.B. mit dem Thema Barrierefreiheit und Inklusion beschäftigen. Für eine erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen ist allerdings die Akzeptanz der Menschen mit Behinderungen als gleichwertige und gleichberechtigte Mitmenschen in der Bevölkerung erforderlich.
In Artikel 8, Bewusstseinsbildung, der BRK ist dieser Zusammenhang berücksichtigt: Die Vertragsstaaten verpflichten sich dazu „a) in der gesamten Gesellschaft, einschließlich auf der Ebene der Familien, das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern“. Doch wie kann dies verständlich und wirkungsvoll umgesetzt werden?
Prof. Dr. Kurt Jacobs, selbst erblindet, hat sich als einer der Ersten mit dieser schwierigen Fragestellung auseinandergesetzt. Gemeinsam mit den Autoren Andrea Bröker (Asperger-Autismus), Irene Alberti (querschnittsgelähmt) und Michael Herbst (erblindet) erarbeitete er den bestechend verständlichen und lebensnahen Leitfaden zur Gestaltung respektvoller Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen.
Zunächst stellen die Autoren auf unterhaltsame und lehrreiche Weise die Erlebens- und Gefühlswelt eines Menschen mit Behinderung unter Berücksichtigung der Menschenbildproblematik dar und geben nützliche grundsätzliche Empfehlungen im Umgang miteinander. Dabei sparen sie nicht mit selbst erlebten Beispielen, die zum Teil bewusst zum Schmunzeln anregen und dazu beitragen, die eigene innere Haltung zu reflektieren.
Anschließend wird differenziert und systematisch auf die unterschiedlichen Behinderungsformen eingegangen. Im Zentrum der Darstellung steht immer die Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Dabei erfolgen jeweils eine grundsätzliche Bezugnahme zur Behinderungsform und eine ausführliche Beschreibung angemessener Umgangsformen. Den Abschluss des Leitfadens bildet die Beschreibung einer inklusiven Gesellschaft.
Der Leitfaden leistet einen wichtigen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis und macht den Begriff der Bewusstseinsbildung erstmals auf einer praktisch-zwischenmenschlichen Ebene fassbar. In der Art der Darstellung zeigt sich die Kompetenz der Autoren: wissenschaftliche Fachkompetenz gepaart mit eigenem Erleben als Betroffene, bei der auch der Spaß nicht zu kurz kommt. Die ideenreiche und kurzweilige Hinterlegung mit Beispielen ermöglicht einerseits die Verwendung in der breiten Bevölkerung und andererseits in der Aus- und Fortbildung sowie in Studium und Lehre.
Insgesamt kann der Leitfaden einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung im Sinne der UNKonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und zur Gestaltung des Weges in eine inklusive Gesellschaft, die von Solidarität und einer vollständigen sozialen Partizipation in einem Zusammenleben menschlicher Vielfalt geprägt ist, leisten. Sehr empfehlenswert !

Michael Frowein

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