Auf den ersten Blick mutet der Titel dieses Sammelbandes, welcher aus den Tagungsbeiträgen zur Sozialen Inklusion im Rahmen des gleichnamigen Masterstudienganges an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum hervorgegangen und durch die Beiträge weiterer Autorinnen und Autoren ergänzt worden ist, wie eine (weitere) Verunschärfung des Begriffes Inklusion an: Neben einer allumfassenden Inklusion scheint es jetzt auch noch eine soziale Inklusion zu geben, welche strategisch und projektorientiert im Kontext der Sozialen Arbeit umgesetzt werden kann. Doch dieses erste Urteil täuscht ganz gewaltig, wie eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Band zeigt. Das Triumvirat der Herausgeber, welches wie viele der Autoren auch an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen- Lippe in Bochum tätig ist, untersucht den Inklusionsbegriff, welcher sich ihrer Ansicht nach ausspannt zwischen einem sozialpolitischen Konzept einer Idee von Teilhabe auf der einen Seite, als auch konkreter Hinweise, wie inklusives Handeln und Gestalten im professionellen Bereich in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern umzusetzen ist auf der anderen Seite, indem sie diesen Begriff einordnen in das Spannungsfeld „von sozialen Interessen, von sozialer Integration, Partizipation, Gleichstellung und Gerechtigkeit. Dies erscheint uns notwendig, um an fachliche Diskurse anzuschließen und gleichzeitig das Neue bzw. Andere an der Idee der Inklusion herauszuarbeiten.“ (2). Hierzu teilen sie die unterschiedlichen Beiträge dieses Bandes in vier Bereiche auf. In einem ersten Teil werden Grundlagen und theoretische Zugänge zum Phänomen und zu den Prozesshaftigkeiten der sozialen Inklusion dargestellt. Dieser erste Teil beginnt (wie auch der zweite Teil) mit einem politikwissenschaftlichen Beitrag – schon hierdurch wird eine relevante Intention der Herausgeberin und der Herausgeber deutlich, nämlich diejenige, Inklusion als sozialstaatlichen Begriff zu verstehen, welcher die Phänomene und Prozesse des Sozialstaats konkreter zu fassen, zu präzisieren und zu modifizieren in der Lage sein kann. Der Weg dieses ersten Teils führt somit über die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Sozialstaats hin zum Begriff der Inklusion im Rahmen der Armuts- und Menschenrechtsdiskussion im Hinblick der Theoriebildung der Sozialen Arbeit und zu einem interdisziplinären Verständnis von Inklusion, welches die Überlegungen der UN-Behindertenrechtskonvention genauso einschließt wie die Themen der Intersektionalität und der Realisierung von Inklusion im Kontext Sozialer Arbeit. Der zweite Hauptteil, überschrieben mit „Strategien der Inklusion“, ist demgegenüber deutlich handlungswissenschaftlicher und handlungsfeldspezifisch ausgerichtet. Auch dieser Teil beginnt mit einem politikwissenschaftlichen Betrag, der sich mit der Politik sozialer Inklusion in formaler, inhaltlicher und prozeduraler Perspektive beschäftigt, führt hin zu den Themen der inklusiven Bildung und des Einschlusses und Ausschlusses bzw. den Folgen, die sich hieraus für den Gesundheitszustand ergeben und beschreibt Inklusions-und Exklusionsphänomene im Rahmen der beruflichen Bildung sowie solche im Rahmen der Behindertenhilfe und der Sozialpsychiatrie. Der dritte Hauptteil stellt dann regionale Projekte im Rahmen einer guten Praxis inklusiver Maßnahmen vor: Die einzelnen Beiträge hierzu versuchen in recht differenzierter Art und Weise Stellung dazu zu beziehen, „welchen Ansatz sozialer Inklusion sie verfolgen, auf welche Dimensionen sozialer Inklusion sie sich (primär) beziehen, welche Erfolge sie versprechen und mit welchen Hindernissen sie zu rechnen haben“ (3). Auf dieser Basis werden neun unterschiedliche Handlungsfelder vorgestellt, wobei hier der Weg beschritten wird von der Bedeutung kommunaler Selbstberichterstattung und Sozialplanung im Rahmen der Inklusionsprozesse hin zu Schulentwicklungsplanung und zu Patientenberatung für eher problematische Zielgruppen der Inklusion. – Einen Beitrag dieser drei Teilbereiche aus der Veröffentlichung herauszuheben fällt schwer, da sie alle sehr spezifisch und sehr präzise ihr jeweiliges Themenfeld behandeln, zudem aus jedem Beitrag konkrete Handlungsnotwendigkeiten für eine inklusive Praxis abgeleitet werden können. Dieses gilt auch für die Beiträge, welche sich im ersten Teil eher grundlegender und im zweiten Teil eher strategischer Art mit den Themen der Inklusion beschäftigen. Der vierte Teil dieses Bands besteht in einem Ausblick: In einem einzigen Beitrag werden hierin die Perspektiven für professionelles Handeln im Bereich inklusiver Sozialarbeit mit dem Fokus der sozialen Inklusion dargestellt. Hierin fi nden sich auch noch einmal die Möglichkeiten der Evangelischen Fachhochschule Rheinland- Westfalen-Lippe Bochum wieder, dieses Thema mittels eines Studiengangs zu vertiefen. Dieser Band von Balz, Benz und Kuhlmann ragt aus der Vielzahl der Inklusionsbände der letzten Jahre heraus, da es dem Herausgeberteam gelingt, nicht einfach wahllos unterschiedliche Aspekte eines eher unscharfen Inklusionsverständnisses additiv zusammen zu stellen, sondern von einer gemeinsamen Grundlage, nämlich der der „sozialen Inklusion“ auszugehen und diesen Begriff sowohl politisch als auch pädagogisch als auch methodisch-konzeptionell auszuloten und differenziert zu beschreiben. Inklusion wird in diesem Band somit nicht allein auf ein Handlungsfeld (wie z. B. das der Behindertenhilfe) eingeschränkt, sondern das Inklusionsverständnis der Herausgeberinnen und Autorinnen und Autoren geht weit darüber hinaus, indem sowohl politische als auch sozial planerische und unterschiedliche Handlungsfelder umgreifende Aspekte des Inklusionsbegriffs wahrgenommen und kompetent erörtert werden. Dieser Band ist somit all jenen zu empfehlen, welche daran interessiert sind, den Inklusionsbegriff auf der einen Seite zu schärfen und auf der anderen Seite möglichst konsequent kohärente und konkrete Handlungsmöglichkeiten hiervon abzuleiten. Er bietet vielfältige Anregungen für unterschiedliche Handlungsfelder der Sozialen Arbeit (aber darüber hinaus auch für die Heilpädagogik und für weitere Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens sowie für die Allgemeine Erziehungswissenschaft). Die Art und Weise der Gliederung dieses Bands ist weiterhin all denjenigen ans Herz zu legen, welche Inklusion aktuell definieren und von diesem Begriff konkrete Handlungsvollzüge ableiten wollen: Dieses ist nur dann konsequent durchführbar, wenn von einem gemeinsamen Inklusionsverständnis (wie hier demjenigen der sozialen Inklusion) ausgegangen, dieses geschichtlich und metatheoretisch begründet wird, kohärente Konzepte abgeleitet und diese wiederum an und mit der Praxis überprüft werden.
Heinrich Greving
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