Im zur Rezension anstehenden Buch, erschienen als Band 13 der Reihe „Theorie und Praxis der Schulpädagogik“, sollen keine endlosen Begriffsdiskussionen um Integration und Inklusion geführt werden, schreiben der Herausgeber und die beiden Herausgeberinnen im einleitenden Kapitel, und es soll auch nicht die Frage erörtert werden, ob die inklusive Schule ein erstrebenswertes Ziel darstellt; statt dessen soll in Beiträgen, die an der schulischen Praxis orientiert sind, der Frage nachgegangen werden, wie sich inklusiver Unterricht und inklusive Schule gestalten lassen. Die folgenden zwölf Kapitel bearbeiten diese Leitfragen in drei Schritten: Vier Kapitel geben über Praxisbeispiele Einblicke in die gegenwärtige Schulwirklichkeit, fünf Kapitel geben Ausblicke auf die Forschung und drei Kapitel liefern Ausblicke auf didaktisch- methodische Perspektiven. In den ersten vier Kapiteln kommen mit Claudia Scholz, Mona Müller, Peter Bergmann und Jenny Krebs ein Lehrer und drei Lehrerinnen zu Wort, die konkrete Einblicke in ihren schulischen Alltag geben. Sie berichten von Erfolgen und Rückschlägen, von Freude und Enttäuschung, von Chancen und Risiken des gemeinsamen Unterrichts. Die Ausblicke auf Forschung eröffnen zwei grundlegend kritische Kapitel: Birgit Herz diskutiert gegenwärtige schulische Entwicklungen im Spannungsfeld von weitgehend folgenloser inklusiver Rhetorik und gleichzeitig fortgesetzter realer Separation im Bildungswesen und Rainer Benkmann fragt, wie die inklusive Schule für Alle mit den Werten einer auf Leistung, Qualifikation und Selektion setzenden Gesellschaft in Zeiten globaler Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu vereinbaren ist. Zwei empirische Studien von Cedric Steinert und Solveig Chilla sowie von Saskia Opalinski und Rainer Benkmann stellen in diesem Kontext die subjektiven Theorien von Behinderung bei Lehrkräften der Allgemeinen Schulen und die Einstellungen zur schulischen Inklusion bei Thüringer Lehrkräften vor, bevor Solveig Chilla den Abschnitt zur Forschung mit einem kritischen Sachstandbericht zu Standort und Perspektiven der Kooperation von Lehrerinnen und Lehrern für Allgemeine Schulen und für sonderpädagogische Förderung schließt. Das Buch will nicht bei der Analyse von Schwierigkeiten stehen bleiben, sondern in drei abschließenden Kapiteln konkrete didaktisch-methodische Vorschläge zu deren Überwindung unterbreiten. Christiane Hofmann, Arno Koch und Elisabeth von Stechow betonen, dass sich Standards des inklusiven Unterrichts als Standards guten Unterrichts darstellen. Natascha Korff schließt sich dieser These mit konkreten Beispielen, u.a. aus einem inklusiv konzipierten Mathematikunterricht, an und Evelyn Stapf diskutiert notwendige didaktisch-methodische Kompetenzen im Spannungsfeld von offenem und lehrergeleitetem Unterricht. Der argumentative Bogen des Buchs ist weit gespannt, denn er reicht von grundsätzlichen kritischen Erörterungen zentraler gesellschaftlicher Fragen bis zu konkreten Vorschlägen für die Planung und Gestaltung von Unterricht. Die Art der Beiträge beginnt mit Einblicken in die gegenwärtige Praxis und endet mit Vorschlägen für eine zukünftige Gestaltung von Schule und Unterricht. Auch wenn der Rezensent nicht jedem Argument in jedem Kapitel zustimmen kann, empfiehlt sich die Lektüre für alle, die keine pauschalen Lobpreisungen der inklusiven Schule brauchen und die keine schnellen Antworten suchen, sondern die differenzierte Problemanalysen schätzen, vorläufige Antworten akzeptieren und an Lösungen arbeiten.
Franz B. Wember
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