In
diesem Werk beschreibt der im In- und Ausland lehrende und
psychologisch-therapeutisch tätige Wissenschaftsdozent Armin Krenz verschiedene
Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern im Vorschul-und Grundschulalter. Er
versteht ihr Verhalten als sinnvolle Reaktion auf längere oder häufige
Problemsituationen und als Hilferufe. Seine Ausführungen konzentrieren sich auf
die im Verhalten zu entdeckende Symbolik, die für ihn - im Anschluss an Carl
Gustav Jung – ein „Bedeutungswert kindeigener Ausdrucksformen“ (S. 12) ist. Der
Autor weist auf die biographisch bedingten komplexen Ursachen und
Bedingungsfelder für Aggressivität, Einnässen, Essstörungen, Haareausreißen
oder Nägelkauen hin. Er entschlüsselt aus seiner langjährigen
psychotherapeutischen Praxis den dahinter liegenden Sinn in folgenden
Ausdrucksformen: „Essen“, „Sprechen und Sprache“, „Psychosomatik“,
„Motorik/Körper“ und „Auffälliges Verhaltens“. In algorithmischer Struktur wird
an zahlreichen lebensnahen Beispielen zunächst das Verhalten des Kindes geschildert,
dann der biographische Hintergrund fokussiert, anschließend der Bedeutungswert
behutsam herausgefiltert und zuletzt folgen praktische Hinweise.
Zusammenfassend werden hilfreiche Vorschläge und Fragen für das pädagogische
Begleiten formuliert, die sich an die Professionalität des Erziehers richten
und entwicklungsfördernde Bedingungen im gestörten Lebenswelt-System im Blick
haben. Die Literatur ist nach Themenschwerpunkten sorgfältig ausgewählt. Dem
Buch liegt ein profundes anthropologisches, entwicklungsneurologisches und
-psychologisches sowie mythologisches Wissen zugrunde. Dabei wird nicht ein
bestimmter Experte favorisiert, sondern die Summe der vom Autor erreichten
Einsichten und Erkenntnisse wird im Blick auf die Praxis auch in graphischen Strukturzusammenhängen
dargestellt. So werden beispielsweise der biografisch bedingte „Wahrnehmungs-
und Reaktionskreislauf des Menschen“ oder die vier Grundgefühle des Menschen
(Freude, Angst, Trauer, Ärger/Wut) in ihrer Vernetzung visualisiert. Hier sind alte
Erziehungsweisheiten mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und
erziehungspraktischen Einsichten verbunden. Und die Botschaften, die sich beim
Bewegen, Spielen, Sprechen, Malen oder Träumen ausdrücken, werden im Fokus des
dahinterliegenden Sinnes sachlich, bündig und verständlich in lebendiger
Sprache entschlüsselt. Um diesen entwicklungs- und erziehungsdiagnostischen
Tiefenblick geht es dem Autor. Er bleibt nicht in formalen Kategorien hängen.
Vielmehr transformiert er abstrakte Gehalte in pädagogisch bedeutsame Struktur-
und Sinnzusammenhänge. Dabei ist er bemüht, wie das Kind zu fühlen. Mit dieser
pädagogischen Grundhaltung kann das entwicklungshinderliche Verhalten eines
Kindes behutsam in ein aktives soziales Handeln gewandelt werden, das dem
ursprünglichen Bedürfnis des Kindes und seiner Selbstwirksamkeitsüberzeugung
entspricht. Damit lädt Krenz den Erwachsenen zum Wahrnehmen, Denken und Handeln
aus der Perspektive des Kindes ein. Mit dieser kopernikanischen Wende ist er
nahe bei der Korczak-Pädagogik. Er nimmt den Leser und die Leserin in den
Deutungsprozess mit hinein, ohne ihn zu vereinnahmen. Bei dieser
Tiefenhermeneutik beginnen – im Sinne von Hans-Georg Gadamer – die Begriffe zu
sprechen. Zusammenfassung: Endlich hat das Thema Verhaltensauffälligkeiten bei
Kindern einen Autor gefunden, der seine persönliche Haltung, sein Wissen und
Können offen legt und mit einem anregenden Schreibstil verbindet. Sein
reflexives Praxisbuch ist klar, verständlich und optisch ansprechend
präsentiert. Er lädt zum Staunen und Mitdenken sowie zur Reflexion der eigen
Professionalität und Praxis ein. Stets geht es um das Ermöglichen des
entwicklungsfördernden Begleitens des individuellen Kindes, das in seelischer
Not ist. Das Werk wandelt Probleme in Lösungen. Es macht Mut und stärkt das
verantwortliche Handeln des Erwachsenen. Mit diesem Buch ist Armin Krenz ein
Meisterwerk gelungen, das vom normalisierenden Grundansatz ausgeht und für die
inklusive Erziehungs- und Bildungspraxis höchst relevant ist. Möge es in der
Aus-, Fort- und Weiterbildung der Erzieher und Lehrer die ihm gebührende
Beachtung findet, besonders in der Heil- und Sonderpädagogik.
Ferdinand Klein