Pädagogik findet nach wir vor Niederschlag in zahlreichen Publikationen. Groß ist die Nachfrage nach anspruchsvollen, anschaulichen und übersichtlichen Darstellungen dieser reformpädagogischen Konzeption. Diese nicht leicht zu bewältigende Herausforderung ist Michael Klein-Landeck und Tanja Pütz in dem vorliegenden Band gut gelungen. Die Autoren schlagen in zwölf Kapiteln einen weiten Bogen von den Grundlagen der Montessori-Pädagogik zu ihren zahlreichen pädagogischen und methodisch-didaktischen Konkretionen in Kinderhäusern, Grundschulen und weiterführenden Schulen. In den ersten beiden Kapiteln finden Leser einen kurzweiligen, informativen und gut verständlichen Einstieg in das Leben und Werk Maria Montessoris und eine Einführung in ihr Bild vom Kind. Ein weiteres Kapitel ist der „Polarisation der Aufmerksamkeit“, dem Phänomen tiefer Konzentration, gewidmet, aus dem Montessori weitreichende, für ihr pädagogisches Modell konstitutive Konsequenzen gezogen hat. Weitere Abschnitte des Bandes führen in die Bedeutung und die Funktionen der Erzieherinnenpersönlichkeit ein, beschreiben die pädagogisch vorbereitete Umgebung in Kinderhaus und Schule gut nachvollziehbar als einen „Ort der Freiheit“ und gehen ausführlich auf den Ansatz der Freiarbeit in Kinderhaus und Schule ein. Anschließend stellen Pütz und Klein-Landeck das Montessori-Material vor, das dem Verständnis Montessoris entsprechend für Kinder ein „Schlüssel zur Welt“ sein soll. Nachdem sie die didaktischen Prinzipien der Montessori-Pädagogik, Eigenschaften des Materials und Lektionen zu seiner Einführung beschrieben haben, demonstrieren die Autoren anhand von Materialbeispielen, wie dieses Ziel zu realisieren ist. Unter dem Aspekt der Werteerziehung versammelt das folgende Kapitel kurze Einführungen in Montessoris Konzeptionen religiöser, kosmischer und sozialer Erziehung sowie in ihre Friedenserziehung. Auch hier gelingen den Autoren gut ein einführender Überblick und eine verständliche Darstellung der Zusammenhänge zwischen diesen Elementen und den Grundlagen der Montessori- Pädagogik. Die Zuordnung der Kosmischen Erziehung zur Werteerziehung ist sicherlich diskussionsbedürftig, weil hier nicht ausreichend deutlich wird, dass Montessori eine Theorie und Praxis inhaltlicher Bildung konzipiert hat, die konstitutiv für ihre gesamte pädagogische Konzeption ist und die aufs engste mit dieser verbunden ist. An die Skizze ihrer entwicklungspädagogischen Grundlegung in Kapitel 2 knüpfen die Kapitel 9, 10 und 11 an, die entwicklungspsychologische Grundlagen und pädagogisch-didaktische Konzeptionen für das Alter von 0 bis 6, von 6 bis 12 und von 12 bis 18 Jahren vorstellen. Anhand ausgewählter Sensibilitätsbereiche im Entwicklungsverlauf skizzieren die Autoren zentrale Entwicklungsbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen und entfalten das darauf abgestimmte pädagogisch-didaktische Vorgehen auf der Grundlage der Montessori- Pädagogik. Sie schildern lebendig den Tagesablauf in einem Kinderhaus, Grundsätze und Besonderheiten der Montessori-Pädagogik in der Grundschule – hier gehen sie insbesondere auf Fragen der Leistungsmessung und des jahrgangsübergreifenden Lernens ein – und erläutern Montessoris Idee der „Erfahrungsschule des sozialen Lebens“ ausgehend von dem „Erdkinderplan“, dem Erziehungs- und Bildungskonzept für Jugendliche. Die vergleichende Darstellung von Erdkinderprojekten in Deutschland und den USA sowie von Montessori-Sekundarschulen in den Niederlanden und in Deutschland ist sehr erhellend und weiterführend, obwohl die Autoren feststellen müssen, dass die Entwicklung von Unterrichtskonzepten für die Sekundarstufe II auch weiterhin eine Zukunftsaufgabe bleiben wird. Der kindzentrierten Pädagogik Montessoris entsprechend erteilen Klein-Landeck und Pütz im letzten Kapitel den Kindern das Wort, die aufgrund ihrer Erfahrungen in Montessori- Einrichtungen treffende, humorvolle und anregende Statements zu zentralen Aspekten der Montessori-Pädagogik abgeben. Ein Anhang enthält zahlreiche weiterführende Informationen über ausgewählte Primär- und Sekundärliteratur zur Montessori- Pädagogik, über didaktische Materialien, insbesondere Medien zur Freiarbeit, Hinweise auf einschlägige Filme sowie Adressen von Montessori-Organisationen und Anschriften ausgewählter Lehrmittelverlage. Wer wissen möchte, wie inklusive Erziehung und Bildung im Allgemeinen, wie der Umgang mit Heterogenität im Besonderen in der Praxis von Kindertagesstätten und Schulen möglich ist, findet in diesem Band eine fundierte pädagogische Antwort mit zahlreichen methodisch-didaktischen und pädagogischen Konkretionen. Den Autoren ist es gelungen, Montessori-Pädagogik überzeugend als ein nach wie vor aktuelles, zukunftsorientiertes und praktikables pädagogisches Modell darzustellen. Der Band eignet sich gut als Einführung, aber auch als Vertiefung für Leser, denen die Montessori-Pädagogik bereits länger bekannt ist und die sich dieses reformpädagogische Konzept im Überblick wiederholend vergegenwärtigen möchten. Farblich abgesetzte Zwischenüberschriften an den Seitenrändern erleichtern die Orientierung im Text. Hilfreich sind auch die zahlreichen Übersichten, Tabellen und Checklisten, die – ebenso wie die vielen aussagestarken Bilder – den Text gut ergänzen und präzisieren und die den Band zu einem Handbuch machen, das die praktische Montessori- Arbeit kompetent und lange begleiten kann.
Alexander Wertgen
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