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Es ist normal, verschieden zu sein (Richard von Weizsäcker) - Einblicke in ein Leben mit Dyskalkulie und/oder Legasthenie anhand von 30 Biografien
S. Borowski (2021)

Aus der kaum zu überschauenden Fachliteratur zu Legasthenie und Dyskalkulie ragt dieses von Sonja Borowski herausgegebene und von Bettina Andersen wunderbar gestaltete Buch besonders heraus.

Beginnen wir weit hinten, auf Seite 192: Das Bild von einem in den Himmel aufsteigenden Mädchen mit rotem Luftballon hat seine Zeichnerin Vanessa enorm inspiriert und „daran erinnert, wie man seine eigenen Träume verwirklichen kann. Und was ich überhaupt für Träume habe […]“ Vanessa ist eine der insgesamt 30 Autorinnen und Autoren aus ganz Deutschland zwischen 10 und 63 Jahren, die Einblicke in ihr Leben gewähren und mit ihren persönlichen Geschichten zeigen, wie Legasthenie/Dyskalkulie das Leben von Menschen prägen.

Es ist somit kein Buch über sie, sondern eines von Betroffenen für Betroffene, die Geschichten des Scheiterns, vor allem aber des Gelingens erzählen und anhand ihrer individuellen Biografien Antwort darauf geben, „wie es in uns aussieht und wer wir wirklich sind“. Die Geschichten lassen das Leben mit Legasthenie/Dyskalkulie greifbar werden, sensibilisieren für Schwierigkeiten und Barrieren in Familie, Kindergarten, Schule und Beruf. Sie klären auf und
sensibilisieren und fördern somit Verständnis und Toleranz.

Die Tatsache, dass die Beiträge auf Wunsch des Autors bzw. der Autorin in unterschiedlichem Maße redigiert und sprachlich überprüft wurden, verleiht den Texten zusätzlich Authentizität. Es ist frappierend, auf wie wenig Verständnis und Feingefühl die Menschen in Kita, Schule, Ausbildung und Beruf teilweise stoßen und wie sehr sie für ihre Rechte und Anerkennung kämpfen müssen. Wer kennt schon das Leiden, das Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechnen, Konfl ikte in und mit der Schule bis hin zu Mobbing, die finanzielle Belastung durch teure Therapien etc. über die ganze Familie bringen können? Wer kann nachvollziehen, wenn sich ein junger Mensch wegen seiner Probleme für „dumm“ hält und von Klassenkameraden ausgegrenzt wird? Wer kann die Erleichterung nachempfinden, wenn eine Diagnose vorliegt und damit einiges erklärt? Die in diesem Buch versammelten 30 Einblicke in individuelle Lebenslagen sind da sehr aufschlussreich!

Das Mädchen mit dem roten Luftballon steht sinnbildlich für die Botschaft von Abdullah, Hannah, Vanessa und alle anderen: Glaubt an eure individuellen Stärken, lebt eure Träume, gebt nicht auf, sucht euch Unterstützung, schließt euch zusammen und kämpft für eure Rechte – dann schafft ihr es! Jedes der 30 Kapitel beginnt mit einem ermutigenden Motto und enthält Hinweise auf hilfreiche Strategien, Unterstützungs- und Vernetzungsmöglichkeiten wie Selbsthilfegruppen. Ihre persönlichen Geschichten zeigen, wie die Autorinnen und Autoren jeweils mit dieser positiven Grundhaltung ihren Weg gemacht haben, wenngleich auch manchmal auf Umwegen. Aber „Umwege“, so weiß Hannah, „erweitern die Ortskenntnisse“ (S.73).

Interessierten Leserinnen und Lesern sei dieses schöne Buch, das u.a. durch die Landesverbände Legasthenie und Dyskalkulie Hamburg e.V. und Thüringen e.V. unterstützt wurde, unbedingt ans Herz gelegt.

Michael Klein-Landeck

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