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Leben mit Körperbehinderung - Perspektiven der Inklusion
Sven Jennessen, Barbara Ortland, Reinhard Lelgeman, Martina Schlüter

»Nichts über uns, ohne uns«. Dieser Leitspruch, den Otmar Miles-Paul, derzeit Beauftragter für die Belange behinderter Menschen in Rheinland-Pfalz geprägt hat – hier wird er ernst genommen. Autoren »mit und ohne Behinderung « schreiben zum gemeinsamen Thema »Leben mit Körperbehinderung « aus unterschiedlicher Perspektive und mit sehr unterschiedlichem persönlichem Hintergrund.
Es gibt zunächst ein Kapitel Grundlegungen, sodann werden einzelne Lebensphasen wie Frühförderung, Schule, Wohnen und Arbeit beschrieben, dann die großen Lebensthemen Kommunikation, Progredienz und Komplexität sowie Gesundheitsversorgung und Barrierefreiheit als letzter großen Abschnitt. Insgesamt 27 Autorinnen und Autoren schreiben in diesem Buch. Bei so vielen Verfassern ist verständlich, dass der eine oder andere Titel recht kurz und knapp gehalten ist oder vielleicht nur einen ganz speziellen Blickwinkel aus dem Leben beleuchtet.
Das Spektrum umfasst die klassischen pädagogischen Themenbereiche, geht aber mit Fragen der Gesundheitsversorgung und der Barrierefreiheit noch einmal darüber hinaus. Gerade diese beiden Bereiche sind grundlegend für individuelle Entfaltungsmöglichkeiten überhaupt. Die Akzente der verschiedenen Beiträge sind individuell gesetzt. Es gibt wissenschaftlich-abwägende Artikel und engagiert-praktische und einiges dazwischen.
Auf ca. 250 Seiten findet die Leserin bedenkenswertes, kritisches, aktuelles, ideenreiches Material, das sich auf die eigene berufliche Praxis beziehen lässt. Die Beiträge fordern nachdrücklich auf, nicht einfach nur gelesen, sondern von ihrem Inhalt her in die eigene Arbeit umgesetzt zu werden. Der voraussetzungslose Einbezug von Menschen mit Beeinträchtigungen (Funktionsstörungen) ist »alternativlos« (um dieses Fast-Unwort voller Absicht zu gebrauchen). Menschen mit Behinderung müssen mitgedacht werden, das bedeutet Inklusion. Ihre Existenz, ihre Bedürfnisse und Wünsche, ihre Kompetenzen und spezifischen sozialen Herausforderungen können nicht ignoriert oder bei Seite geschoben werden.
Das Buch findet noch nicht die Lösung, immer wieder wird thematisiert: »Es gibt nicht die eine perfekte Integration« (Tobias Jahn-Hertel und Barbara Ortland). Dieses Buch ruft zum Denken auf, die Texte sind unterschiedlich, also wird es Vorlieben geben – Verschiedenheit eben. Das gilt gleichermaßen für Studierende wie für erfahrende Pädagoginnen, für wissenschaftlich Tätige wie für Praktiker des Alltags. Das Buch bedeutet auch für die Disziplin Körperbehindertenpädagogik einen Schritt. Denn mit den Herausgebern und den allermeisten Autoren meldet sich eine neue Generation zu Wort, auch wenn man manchen schon viele Jahre kennt. Man kommt mit neuen Köpfen in Kontakt, das ist anregend und weckt Interesse. Es wird engagiert geschrieben, es geht um etwas, das sind nicht nur »akademische Diskussionen«, sondern ein Ringen um Wege der Verbesserung. »Leben mit Körperbehinderung« wird dann zu einem Programm, auf Leben liegt der Akzent. Heil- und Sonderpädagogik haben zusammen mit anderen Berufsgruppen die Aufgabe, diese Leben zu begleiten, Konditionen zu verbessern, für Verständnis zu sorgen und Inklusion zumindest offen zu halten.
Die einzelnen Beiträge sind in etwa gleich gegliedert, es gibt einführende Überlegungen, sodann z. B. empirische Befunde zur Thematik und am Ende steht meist ein Fazit, in dem noch einmal alles zusammengefasst wird. Eine solche oder ähnliche klare Gliederung hilft dem Leser, sich in der Breite zurecht zu finden und sich nicht in der Fülle zu verlieren. Da die einzelnen Abschnitte und Beiträge recht kurz sind, geht der Charakter des Buchs in Richtung Handbuch, ein Buch zum Nachlesen. Und das sollte man tun, oft!
Andreas Fröhlich

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