Insbesondere unter der Zielsetzung der
Inklusion kann sonderpädagogische Förderung den Anspruch auf eine »Bildung für
alle« durch individuell angepasste Inhalte und Methoden der schulischen und
außerschulischen Förderung sichern. Antworten auf die Frage nach den hierfür
geltenden Qualitätsstandards sollen die 2007 verabschiedeten und im Jahr 2009 mit Kommentierungen publizierten Standards der sonderpädagogischen
Förderung vom Verband Sonderpädagogik e. V. (vds) geben.
Dieses Buch, so lässt sich hier bereits feststellen, leistet damit einen
anregenden Beitrag zur Diskussion um eine qualitativ hochwertige Förderung in
der (Sonder-)Pädagogik. Die Standards wurden durch Arbeitsgruppen
praktizierender Mitglieder des Verbands »bottom up« entwickelt.
Zu Beginn des Buchs gibt der Autor der Arbeitsgruppe, Franz B. Wember, einen
Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion um Standards in der
Sonderpädagogik. Die Diskussionsstränge verlaufen dabei zwischen der
grundsätzlichen Ablehnung von Standards aufgrund der Befürchtung
fortschreitender Ökonomisierung sonderpädagogischer Handlungsfelder über die
Möglichkeit der Nutzung als Instrument zur Qualitätssicherung und Evaluation
bis hin zum Einsatz als Forderungskatalog an die Politik.
Wember verdeutlicht, dass die vorliegenden Standards nicht auf eine
Standardisierung sonderpädagogischen Handelns abzielen sollen, sondern die
notwendigen Voraussetzungen für professionelles sonderpädagogisches Handeln
sichern und somit zur gezielten Qualitätsentwicklung in den Arbeitsfeldern der
Sonderpädagogik beitragen können. So verstanden können Standards in der
sonderpädagogischen Förderung durchaus auch dazu beitragen, Inklusion nicht zu
einem Sparmodell verkümmern zu lassen.
Die Standards selbst werden in ihrer aktuellen Form auf 46 Seiten in zwei Teilen dokumentiert. Während
Teil A allgemeine Grundlagen sonderpädagogischen Handelns erläutert, stellt
Teil B die Standards für die verschiedenen Förderschwerpunkte nach der Struktur
1. Vorgaben
und Ressourcen, 2.
Prozessmerkmale und 3.
Ergebnisse vor. Die Kriterien für eine professionelle sonderpädagogische
Förderung werden damit übersichtlich verdeutlicht.
Die Möglichkeiten des Umgangs mit den Standards sonderpädagogischer Förderung
werden in den darauf folgenden drei Kapiteln herausgestellt, in denen ihre
Bedeutung für die Qualitätssicherung sonderpädagogischen Handelns in der Praxis
aufgezeigt wird. Diese reichen von der Nutzung für die intensive individuelle
Förderung als Kern der sonderpädagogischen Förderung über Vorschläge zur Verbesserung
professionellen Handelns im Spannungsfeld von Beziehungs- und
Unterrichtsgestaltung bis hin zum Einsatz der Standards in Qualitätszirkeln.
Im Anschluss folgen die Kommentierungen der Standards zu den einzelnen
Förderschwerpunkten durch renommierte Wissenschaftler, die teils sehr
unterschiedlichen Argumentationen folgen. Grundlegende Aspekte betreffen dabei
vielfach Fragen einer möglichen Ökonomisierung sowie nach der
Operationalisierung und begrifflichen Schärfe der Standards oder deren Vollständigkeit
und leitenden Visionen.
Insgesamt gesehen bietet das Buch für den Leser sowohl durch die Darstellung
der Standards als auch durch die Kommentierungen einen guten Überblick über den
aktuellen Diskussionsstand. Auch wenn nicht alle Beiträge konkrete Vorschläge
zur Umsetzung in der Praxis beinhalten, lassen sich insgesamt neue Perspektiven
für die sonderpädagogische Förderung und ihre Weiterentwicklung, insbesondere
in der Schule, gewinnen. Der vds bietet mit den Standards sonderpädagogischer
Förderung einen wichtigen Beitrag für die aktuelle Diskussion, der Band bietet
darüber hinaus wissenschaftliche Impulse zur vertiefenden Diskussion. Dies
macht das Buch zu einem wichtigen und insgesamt sehr lesenswerten Beitrag zur
aktuellen Debatte.
Annika Schell