Am 19. Januar 2012 fand in der Bertelsmann Repräsentanz die feierliche Preisverleihung des diesjährigen Jakob Muth – Preises statt. Unter dem Motto „Gemeinsam lernen - mit und ohne Behinderung“ zeichnet der „Jakob Muth-Preis für inklusive Schule“ seit drei Jahren Schulen aus, in denen Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen vorbildlich gemeinsam lernen und leben. Mit dem bundesweiten Preis soll die Praxis von Schulen bekannter gemacht werden, die eine bessere Teilhabe ermöglichen - unabhängig von Herkunft, Beeinträchtigung oder sonstiger Benachteiligung. Damit sollen Impulse für eine Ausweitung inklusiver Bildungsangebote gegeben werden. Der Namensgeber Jakob Muth (1927-93) hatte sich als Professor in Bochum schon früh für eine gemeinsame Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder eingesetzt. In diesem Jahr wurden folgende Schulen bzw. Schulverbünde ausgezeichnet:
Regionales Integrationskonzept Bad Bevensen (Niedersachsen)
Das seit neun Jahren bestehende Regionale Integrationskonzept ist das Ergebnis einer engen Kooperation der Dohrmann-Schule, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen in Bad Bevensen, mit den Grundschulen im Einzugsbereich und einer weiterführenden Schule. Beteiligt sind an dem Schulverbund mit der Dohrmann- Schule die Grundschule Altenmedingen, die Waldschule Bad Bevensen, die Grundschule Bienenbüttel, die Grundschule Himbergen sowie die Fritz-Reuter-Schule, eine Kooperative Gesamtschule in Bad Bevensen. Schwierigen rechtlichen und räumlichen Rahmenbedingungen zum Trotz ist das Integrationskonzept ein voller Erfolg. Alle Grundschüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernen mittlerweile gemeinsam mit ihren Altersgenossen vor Ort und werden nicht mehr separat beschult. Auch in der Sekundarstufe geht der Weg in Richtung Inklusion. Im Hauptschulzweig der ortsansässigen Gesamtschule sind Integrationsklassen eingerichtet worden, die Kinder mit verschiedenen Förderschwerpunkten aufnehmen. Zum Ende des Schuljahres 2010/2011 haben die ersten beiden Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich „Lernen“ die neunte Klasse verlassen - und zwar erfolgreich: Beide haben den Hauptschulabschluss erworben.
Gemeinschaftsgrundschule in Eitorf
Die Gemeinschaftsgrundschule Eitorf in der Gemeinde Eitorf im nordrhein-westfälischen Rhein-Sieg-Kreis ist eine offene Ganztagsschule, an der Kinder von 6.45 bis 17.30 Uhr ein vielfältiges Unterrichts- und Betreuungsangebot wahrnehmen können. Bereits 2003 hat die Schule den Gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf eingeführt. Seit etwa zwei Jahren lernen nun alle 330 Kinder, darunter 31 mit diagnostiziertem Förderbedarf, gemeinsam. Eine Trennung in Regel- und Integrationsklassen gibt es nicht mehr.
Grundschule Langbargheide in Hamburg
Die Grundschule Langbargheide befindet sich im Hamburger Stadtteil Lurup, einem Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf. Hier leben viele Menschen mit Migrationshintergrund gemeinsam mit alteingesessenen Lurupern. Rund 80 Prozent der Kinder sind nichtdeutscher Herkunft. 38 Prozent der Eltern sind Hartz-IVEmpfänger, weniger als ein Prozent haben einen akademischen Abschluss. Ökonomische, soziale und psychische Belastungen prägen den Alltag und das Lernen der meisten Kinder. Die Bandbreite ist groß: Neben vielen leistungsstarken Kindern ist ein großer Teil der Schüler durch einen Mangel an Lernmotivation und Konzentrationsstörungen bis hin zu Lernblockaden beeinträchtigt. Etwa 40 Prozent der Kinder haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Daher hat sich die Grundschule Langbargheide vor 18 Jahren auf den Weg zu einer inklusiven Schule gemacht. Die Regine-Hildebrandt-Schule im brandenburgischen Birkenwerder hat sich bereits Mitte der 90er Jahre auf den Weg zu einer inklusiven Schule gemacht. Aus einer zunächst eher demografisch bedingten Fusion der Gesamtschule mit der Körperbehindertenschule vor Ort entstand eine integrativ-kooperative Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe, in der es keine Aufteilung mehr in Regel- und Förderklassen gibt. Alle 679 Schülerinnen und Schüler, darunter auch die 81 Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, lernen miteinander und voneinander im Gemeinsamen Unterricht. Für ihr innovatives Konzept hat die Schule bereits mehrere landes- und bundesweite Auszeichnungen erhalten. Trotz der vielfältigen Herausforderungen liegen die Leistungen der Schüler bei Vergleichsarbeiten im Landesdurchschnitt,bei den Abschlussprüfungen des zehnten Jahrgangs teilweise darüber. Ein Drittel der Zehntklässler mit sonderpädagogischem Förderbedarf schaffte im Jahr 2011 die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe. Bei regionalen paralympischen Sportwettbewerben erreichen die Schüler regelmäßig vordere Platzierungen. Besonders hervorzuheben ist die integrative Segelmannschaft, deren sportliche und soziale Leistungen der Schule bereits einen bundesweiten Preis eingebracht haben. Die beteiligten Projektträger brachten sich mit Beiträgen in die von Miriam Lange (RTL) moderierte Veranstaltung ein: Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Liz Mohn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Christian Rauschenfels, Vorstandsvorsitzender der Sinn-Stiftung und Prof. Dr. Christoph Wulf, Vizepräsident der deutschen UNESCO-Kommission. Einen besonderen politischen Akzent setzte Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein- Westfalen.
Weitere Informationen: http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/ rde/xchg/bst/hs.xsl/prj_91621.htm
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