Am 9. und 10.11.2018 trafen sich die Referentinnen und Referenten des Förderschwerpunkts Hören in München. Die Schulleiterin der Musenbergschule, Förderzentrum Hören, Frau Rewitzer, begrüßte die Gruppe und berichtete über die schulische Situation in Bayern und über Aufgabenfelder und neue Herausforderungen der eigenen Schule.
Eine grundlegende Problematik wird zunehmend im Förderschwerpunkt Hören prekärer: In den Bundesländern, die keine originäre universitäre Ausbildung in der Hörgeschädigtenpädagogik aufweisen, wird ein starker Rückgang an Fachlichkeit und Professionalität wahrgenommen. Es fehlt zunehmend in Schulen und Kindertagesstätten an ausgebildeten Hörgeschädigtenpädagogen, an bundesweit flächendeckender Fort- und Weiterbildung und an qualifizierenden Weiterbildungsangeboten für Quereinsteiger aus anderen Fachrichtungen und Schularten. Die originären Kompetenzendes Hörgeschädigtenpädagogen, wie Gebärdensprachvermittlung und -anwendung, Lautsprachentwicklung, psychosoziale Begleitung, pädaudiologische Diagnostik, technische Beratung für Hörsysteme sowie hörgeschädigtenspezifische didaktisch-methodische Unterstützung und Förderung können in einigen Bundesländern kaum vorgehalten werden.
Das Referat Hören fordert den Erhalt der Fachlichkeit, um Entwicklungsprozesse aller hörgeschädigten Kinder und Jugendlichen professionell im gesamten Bundesgebiet zu begleiten und zu unterstützen.
Professionalisierung, Qualifizierung im Förderschwerpunkt Hören
Erneut wurde festgestellt, dass die Angebote der Aus-, Fort-und Weiterbildungen im Förderschwerpunkt Hören zur Qualifizierung von Lehrkräften und aller an der Erziehung und Bildung beteiligter Fachkräfte nicht mehr ausreichen, um den Bedarf in vielen Bundesländern (z.B. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hessen, Bremen) zu decken. So findet z.B. in einigen Bundesländern keine reguläre Zweite Ausbildungsphase mehr statt, fachspezifische Fort- und Weiterbildungsangebote werden nur sporadisch und häufig schulintern vorgehalten.
Derzeit finden sich an vielen Einrichtungen für Hörgeschädigte zunehmend sog. Quer-, Seiteneinsteigeraus anderen Förderbereichen oder Lehrämtern. Diese Lehrkräfte erhalten über unterschiedlich konzipierte Fort- und Weiterbildungsangebote, ergänzende Zertifikatskurse, berufsbegleitende Maßnahmen oder schulinterne Angebote nur einen knappen Überblick in die Fachrichtung.
– Forderung: Ausreichende und an den Standards orientierte Qualifizierungsangebote sind vorzuhalten, um Schülerinnen und Schülern die ihnen rechtlich zustehende Förderung und Unterstützung zu gewährleisten. Es braucht dazu eine Entwicklung von koordinierten, flächendeckendenundbundeslandübergreifendenQualifizierungsangeboten im Förderschwerpunkt, die aktuell fachlichen und wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
In einem Brief an die Kultusministerkonferenz, der von der Bundesdirektorenkonferenz gemeinsam mit Vertretern des BDH, des vds und Vertretern der Universitäten im Dezember 2018 formuliert wurde, wurden die zunehmend prekäre personelle und damit auch fachliche Lage beschrieben und Fragen zu bundesweiten Statistiken, Qualifizierungsangeboten und Ausbildungsorten gestellt, um eine konkrete Argumentationsgrundlage in den Ministerien zu den intern wahrgenommenen Missständen zu erhalten.
– Forderung: Eine möglichst schnelle Erhebung belastbarer Daten im Förderschwerpunkt Hören stellt die aktuell in der Praxis wahrgenommenen Bedarfe an qualifizierten Hörgeschädigten pädagogen in Schule und Kindertagesstätten reell dar. Daraus folgende Handlungsansätze sind im Sinne der betroffenen Kinder zu entwickeln und anzubieten.
Mit fünf universitären Ausbildungsstandorten (München, Berlin, Hamburg, Heidelberg, Köln) ergibt sich die Notwendigkeit der Kooperation der Kultusministerien in Fragen der bundeslandübergreifenden Anerkennung von Abschlüssen, der Finanzierung und Ermöglichung von berufsbegleitenden Studiengängen und damit die personelle Aufstockung der jeweiligen Lehrstühle, um die Aufgaben bewältigen zu können.
– Forderung: Kooperation der Ausbildungsstandorte zur Entwicklung eines bundeslandübergreifenden anerkannten Curriculums in Hörgeschädigtenpädagogik. Eine fachliche Auseinandersetzung zu den grundlegend an Standards orientierten Inhalten in der Hörgeschädigtenpädagogik sollte bundesweitübergreifend geführt werden, um Qualifizierungsmaßnahmen und Fort- und Weiterbildungsangebotevergleichbar zu machen.
Aktuelle Initiativen des vds in Mitteldeutschland
Der vds zählt mit seinen Landsreferentinnen in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nur eine Handvoll Personen. Der Berufsverband BDH (Berufsverband Deutscher Hörgeschädigtenpädagogen) ist u.a. in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nicht mehr vertreten, womit eine weitere fachliche Unterstützung und Netzwerkarbeit entfällt. Die Einrichtungen für Hörgeschädigte bieten schulinterne Fortbildungen an, über die teilweise auch Seiteneinsteiger betreut werden.
Gemeinsam mit dem BDH, dem Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt(LISA), den Landesreferentinnen in Thüringen und Sachsen-Anhalt und engagierten Lehrkräften aus den Schulen für Hörgeschädigte wurde ein jährliches niederschwelliges Fortbildungsangebot konzipiert. Hörgeschädigtenpädagogen, Seiteneinsteiger und Lehrkräfte aus inklusiven Settings erhalten nun die Möglichkeit, sich über Praxiserfahrungen auszutauschen und sich fachlich wieder aktuell aufzustellen.
Zudem nahmen sich zwei Professoren der Sprachheilpädagogik, Prof. Glück, Universität Leipzig, und Prof. Sallat, Universität Halle-Wittenberg, im Oktober 2018 ebenso der Problematik an. Sie versuchen derzeit in Kooperation der Universitäten einen Erweiterungsstudiengang im Förderschwerpunkt Hören aus der Spracheilpädagogik heraus zu konzipieren. Inhaltliche und verwaltungstechnische Hürdensind über Bundeslandgrenzen hinweg zu bewältigen. Beide Universitäten unterstützen die Idee.
Anspruch und Wirklichkeit
Der gesellschaftspolitische, pädagogische und wissenschaftliche Anspruch in der Hörgeschädigtenpädagogik, u.a. die Deutsche Gebärdensprache im Rahmen von bilingual-bimodalen Konzepten flächendeckend umzusetzen, um gebärdensprachlich kommunizierenden Hörgeschädigten die Teilhabe an Bildung und Gesellschaft im Sinne von Inklusion zu ermöglichen, wird derzeit auch durch nicht ausreichend qualifizierte Pädagogen im System erschwert. Auf dem letzten Bundeskongress des BDH in Heidelberg wurden erneut die Notwendigkeit der Methodenvielfalt und die Abkehr vom „Methodenstreit“ betont. Leitend ist ein individuell angepasstes Kommunikationsangebot, mit dem Zieleines differenzierten Bildungsangebots für Menschen mit Hörschädigungen. Ein individuell ausgerichtetes Bildungsangebot für Hörgeschädigte und ihre fachliche Unterstützung in inklusiven Settings kann nur mit dem entsprechend qualifizierten Personal umgesetzt werden.
Das Referat arbeitet mit den BDH, Universitäten, Betroffenenverbänden, Schulen und Lehrkräften zusammen, um für die Probleme und Herausforderungen zu sensibilisieren. Der Bundesvorstand des vds unterstützt bei der Weiterleitung der Forderungen an die entsprechenden Gremien und Ansprechpartner wie KMK und Kultusministerien. Die Präsenz des Förderschwerpunkts Hören an den zukünftigen Bundes- und Fachkongressendes vds unterstreicht die Anstrengungen, fachliche Kompetenzen an alle Lehrkräfte und Schulartenweiter zu vermitteln.
Susanne Römer
Im Uhrzeigersinn: Olaf Oelgarte, Sabine Kolbe, Susanne Römer, Kirsten Binder, Ulrike Kleissl, Angela Kühmel, Stefanie Pfab
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