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Inklusion zwischen Realität und Rhetorik in der schulischen und außerschulischen Erziehungshilfe
4. Werkstattgespräch an der Leibniz Universität Hannover

Im Herbst 2016 hat das vierte Werkstattgespräch am Institut für Sonderpädagogik der Leibniz Universität in Hannover stattgefunden. Der Einladung des Lehrstuhls Pädagogik bei Verhaltensstörungen folgten über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Praxis und Wissenschaft. Mit Unterstützung des Bundesverbands für Erziehungshilfe, des evangelischen Erziehungsverbands und des vds sollten theoriegeleitete Analysen und Reflexionen im Kontext einer heterogenen Zielgruppe in den Handlungsfeldern Schule, Kinder- und Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Jugendstrafvollzug vorgenommen werden.

Prodekan Prof. Dr. Döhler  ordnete den Begriff der Inklusion aus Sicht der Politikwissenschaften ein und benannte strukturelle Ähnlichkeiten zu Konzepten wie Nachhaltigkeit und Risikogesellschaft. Er verwies auf das Potential dieser Begriffe zur Gestaltung von Gesellschaft, aber auch auf das Potential dieser Begriffe zur rein rhetorischen Verwendung.

Prof. Dr. Birgit Herz erläuterte im Hauptvortrag eine Reformrhetorik, die Schule massiv trifft und die Relevanz dieser für die Reformulierung der Sozialgesetze als handlungsleitende Rahmung für die Kinder- und Jugendhilfe. Allokation und Inklusion wurden als begriffliches Gegensatzpaar dargestellt und der Anspruch, dass Inklusion als Generalformel zur paradigmatischen Ausrichtung des Schulsystems realisiert werden könnte, wurde kritisch hinterfragt. Die Phänomene Deprofessionalisierung und Entspezialisierung pädagogischer Fachkräfte und Biologisierung und Pathologisierung von Verhaltensstörungen wurden anschaulich zueinander in Beziehung gesetzt.

Anlässlich des sechzigsten Geburtstags von Birgit Herz wurde die Festschrift mit dem Titel „Ausgrenzung und Teilhabe“ von den Herausgebern (Zimmermann, Meier & Hoyer, 2016) überreicht. In den Beiträgen von Dörr, Hußmann, Mackowiak, Opp, Prengel, Reiser und Störmer wurden gesellschaftliche und pädagogische Diskurse der Fachrichtung aufgegriffen, dargestellt und diskutiert.

Prof. Dr. Dr. Michael Winkler erläutert die Bedeutung der Entwicklung des inklusiven Kinder- und Jugendrechts als sogenannte „große Lösung“. Er warnte vor einer Medialisierung des Begriffs der Inklusion und der gleichzeitigen Reduzierung der Aufmerksamkeit auf pädagogische Haltungen sowie auf gesellschaftliche Solidarität. Er betonte gerade pädagogische Haltung und Solidarität als Motive und Basis der Inklusion und kritisierte eine Ignoranz dieser Aspekte zu Gunsten einer verkürzten Inklusionsdebatte.

Prof. Dr. Manfred Wittrock ging der Frage nach, ob das Inklusionskonzept das Integrationskonzept ersetzen kann, und fragte, ob gesellschaftlichen Exklusionsdynamiken eine Vorstellung von Teilhabe gegenübergestellt werden sollte.  Er benannte die multiprofessionelle Kooperation in Teams als wichtigen Aspekt zur Stärkung von Hilfesystemen. Er verwies auf den staatlichen Auftrag der organisationalen Absicherung eines gestuften Erziehungshilfesystems mit einer sonderpädagogischen Grundversorgung, mobilen Beratungs- und Unterstützungsdiensten sowie alternativen und qualitativ hochwertigen Beschulungsangeboten.

In den Workshops wurden Themen wie die Kooperation von Schule und Jugendhilfe in Hamburg (Philipp Wachs und Arne Kranz), das Berufsrollenverständnis im Förderschwerpunkt (Christiane Mettlau), Kinderschutz an Schulen (Nora Hartel) und die Vielfalt schulischer Inklusion (Jochen Liesebach) bearbeitet.

Gleichzeitig zu den Fachvorträgen und Workshops fand eine Zukunftswerkstatt unter Leitung von Prof. Dr. Ralf Kuckhermann statt. In der Zukunftswerkstatt wurden ausgehend vom Titel "Gemeinsam auf dem Weg zu Inklusion" die aktuellen, subjektiv bedeutsamsten Fragen der Teilnehmenden in der Arbeit mit emotional-sozial schwer belasteten Kindern und Jugendlichen herausgearbeitet.

Jan Hoyer

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