Vom 11. bis 13. Mai 2015 fand das Treffen der Landesreferenten für Aus-, Fort- und Weiterbildung in Bielefeld statt. Die im vergangenen Jahr eingeführte sogenannte Mastermatrix ermöglichte ein nach Leitkriterien strukturierten Überblick der Entwicklungen in den Bundesländern. Auf Grundlage dieser Vorbereitung konnte sich der Austausch unmittelbar auf zentrale Themenbereiche und Fragestellungen konzentrieren.
Situation der Ausbildung in den Bundesländern
Beim Blick auf die allgemeine bildungspolitische Lage wurde erneut die ausgesprochen heterogene Situation in den Bundesländern im Zusammenhang mit der Entwicklung in Richtung eines inklusiven schulischen Bildungsangebots deutlich. Dies spiegelt sich u.a. in den unterschiedlichen Bezeichnungen der Sonderpädagogischen Lehrämter je nach Landesrecht wider. Außerdem stehen sich Beschlüsse zur Abschaffung der Förderschulen sowie klare Bekenntnisse zum Fortbestand im vollen Umfang gegenüber. Dass dies in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Sonderpädagogen entsprechend Niederschlag finden muss, scheint klar. Dennoch sind nur wenige gemeinsame oder gar einheitliche Entwicklungslinien zu identifizieren, die ein Bild von der künftigen Berufsrolle vermitteln. Unklar ist etwa, welche Rolle Sonderpädagogen an Allgemeinen bzw. inklusiven Schulen einnehmen können, wenn sie im gemeinsamen Unterricht eingesetzt sind.
Einzelne Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Bremen gehen hier den Weg, dass Lehramtsabsolventen der Sonderpädagogik einen entsprechenden Abschluss erwerben können, indem sie ein kombiniertes Studium absolvieren und Sonderpädagogik als eines von mehreren Unterrichtsfächern in der Primarstufe oder der Sekundarstufe studieren wird:
http://www.fb12.uni-bremen.de/de/inklusive-paedagogik.html;
http://ekvv.uni-bielefeld.de/sinfo/publ/bachelor/biwiisp
Im aktuellen Entwurf zum Lehrerbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen soll der Erwerb sonderpädagogischer Basiskompetenzen als Bestandteil der Ausbildung aller Lehrkräfte verankert werden: http://www.wissenschaft.nrw.de/presse/pressemeldungen/details/nrw-richtet-lehrerausbildung-aufzukunft- aus/
Auswirkung der UN-Behindertenrechtskonvention auf die Lehrerbildung
Beim Blick in die Diskussion über die Umsetzung der UN-Behindertenrechte-Konvention in Deutschland wurde deutlich, dass bei den geplanten Maßnahmen zwar mitunter vertiefte Überlegungen zu Aspekten der Aus, -Fort- und Weiterbildung enthalten, aber keine mit entsprechend finanziellen Mitteln hinterlegte konkrete Durchführungskonzepte zu erkennen sind.
Ausbildung im Bereich Diagnostik Vertieft besprochen wurde die Ausbildung im Bereich Diagnostik. In diesem zentralen sonderpädagogischen Handlungsfeld zeigen sich Unterschiede in der Verankerung in der Ausbildung. So erhält das Thema Diagnostik und Förderung etwa an den Hochschulen Kiel und Flensburg in Schleswig-Holstein Eingang in die Lehrkräftebildung aller Schularten. Dabei sollen Sonderpädagogen spezifische und vertiefte Schulungen erhalten. Exemplarisch kann der Bereich Diagnostik für alle Fragen der Weiterentwicklung der Lehrerbildung stehen. Es scheint notwendig, dass alle Lehrkräften diagnostische Aufgaben in den Blick nehmen, die bislang dem Aufgabenbereich der Sonderpädagogik zugeordnet waren. Eine Herausforderung der Sonderpädagogik wird sein, zu zeigen, welchen fachlich spezifischen und vertieften Beitrag sie weiterhin dazu leisten kann bzw. muss. Im Hinblick auf die aktuelle Gestaltung der Ausbildung in der Sonderpädagogik besteht die Sorge, dass diagnostische Kompetenzen in der zweiten Ausbildungsphase zu wenig Raum erhalten. Das gilt insbesondere im Zusammenhang mit der auf 18 oder sogar zwölf Monate verkürzten Ausbildungsdauer. Zu beobachten ist, ob Entwicklungen an einzelnen Studienorten Anzeichen für einen Trend sein könnten, die Zuständigkeit für diesen Ausbildungsinhalt weg von der Sonderpädagogik wieder stärker in die Fakultät der Psychologie zu verlagern. Hier besteht Einigkeit darüber, dass dieser Kernbereich der Ausbildung in oft guter Kooperation mit der Psychologie gestaltet wird, aber entsprechend pädagogischer, fachrichtungsspezifischer und fachlicher Prämissen an der sonderpädagogischen Förderung ausgerichtet bleiben muss.
Praxisorientierung im Studium Die Forderung nach einer stärkeren Praxisorientierung haben mehrere Standorte des Sonderpädagogik- Studiums inzwischen mit der Einführung eines Praxissemesters umgesetzt. Die Anforderungen unterscheiden sich dabei erheblich. So fordert Bremen eine feste Stundenzahl von eigenverantwortlichem Unterricht, an anderen Orten steht der Nachweis der Teilnahme im Vordergrund. Zentral für die Weiterentwicklung der Ausbildung erscheint, dass nachhaltig wirksame und für die Ausbildungsqualität förderliche Praxiserfahrungen fachlich begleitet und reflektiert werden müssen. Dafür benötigen die Universitäten entsprechende personelle Ressourcen. Je nach Standort und räumlicher Streuung der Praktikanten sind auch die Belastungen der Schulen und die möglicherweise problematischen Überschneidungen mit dem Einsatz von Teilnehmern der zweiten Ausbildungsphase zu beachten. Im Hinblick auf die Strukturierung der gesamten Ausbildung ist hervorzuheben, dass die Praxisanteile als relevante zusätzliche Elemente einer qualifizierten Ausbildung verstanden werden müssen, um den hohen fachlichen Anforderungen der Sonderpädagogen im inklusiven Bildungssystem zu entsprechen. Die Zweite Phase der Ausbildung bleibt bzgl. Umfang und Dauer unangetastet und darf zu keinerlei Kürzungen führen.
Es ist festzuhalten, dass die praktischen Ausbildungsinhalte in der Ersten und in der Zweiten Phase im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit als Sonderpädagoge an Schulen nicht vergleichbar sind. Sie haben in beiden Phasen spezifisch eigenen Charakter und Bedeutung und können nicht wechselseitig beliebig verrechnet oder ausgetauscht werden.
Für die Ausbildung im Hinblick auf das Lehramt ist bei den Praktika ein klarer Fokus auf das Unterrichten zu fordern. Ein überwiegendes Forschen, mitunter mit Aufträgen, die dem Schulalltag und den Schülern kaum gerecht werden, scheint problematisch. Im Sinne einer abgestimmten und stringenten Ausbildung, die künftigen Lehrkräften, Schülern und Schulen entspricht, ist eine Kooperation von erster und zweiter Ausbildungsphase unabdingbar.
Fachdidaktische Ausbildung Ein weiterer Schwerpunkt des Treffens lag auf der Vermittlung fachdidaktischer Kompetenzen in der zweiten Ausbildungsphase. Hier besteht mitunter ein Spannungsfeld zwischen fundierten Kenntnissen, die Sonderpädagogen in die Lage versetzen, mit den Kollegen der allgemeinen Lehrämter auf gemeinsamen fachlichen Stand in Austausch zu treten und den besonderen Erfordernissen, die sich aus den Lernausgangslagen von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ergeben. Dafür reichen Ansätze der allgemeinen Fachdidaktik oft nicht weit genug und müssen entsprechend erweitert werden. Dies gilt besonders bei der Ausrichtung auf erhebliche kognitive Lernschwierigkeiten. Herausforderung in der Ausbildung ist, beide Seiten zu berücksichtigen und entsprechend der Förderschwerpunkte zu gewichten.
Zentral ist hier die Verzahnung von Fachexpertise und Förderschwerpunktexpertise zu sehen, die in allen drei Ausbildungsphasen im Fokus sonderpädagogischen Kompetenzerwerbs stehen muss.
Studiengang Integrierte Sonderpädagogik Im Rahmen des Treffens konnte Frau Prof. Dr. Lütje-Klose als Referentin gewonnen werden, die den Studiengang Integrierte Sonderpädagogik an der Universität Bielefeld vorstellte.
(http://ekvv.uni-bielefeld.de/sinfo/publ/bachelor/biwiisp).
Hier wird in einem abgestimmten Studienangebot nach zehn Semestern der Masterabschluss für den Zugang zum Lehramt Grundschule sowie nach weiteren zwei Semestern der Master in den Fachrichtungen Lernen und Emotionale und soziale Entwicklung erreicht. Die Konzeption des Studiums verfolgt einen breiten Ansatz, der eine ausgesprochen fundierte und umfassende Ausbildung verspricht. Dies eröffnet den Absolventen ein breites berufliches Einsatzfeld und gute Qualifikationen für den Einsatz an inklusiven schulischen Lernorten. Für Studierende heißt es allerdings, für dieses Ziel in eine verlängerte Studiendauer zu investieren. Die Forderung nach einer Aufrechterhaltung der Vermittlung fundierter sonderpädagogischer Kompetenzen und klarer Ablehnung einer ‘Sonderpädagogik-Ausbildung light’ wird in diesem Ansatz offensichtlich erfüllt.
Ausblick Das Referat Aus-, Fort- und Weiterbildung hat sich zum Ziel gesetzt, Impulse für eine zukunftsorientierte sonderpädagogische Ausbildung zu erarbeiten. Dafür sollen bis zum Treffen in 2016 eine Zusammenschau der relevanten Studienordnungen sowie der Ausbildungscurricula aller Fachrichtungen / Förderschwerpunkte der Bundesländer für die zweite Phase erstellt werden.
Klaus Gößl / Sibylle Roehr
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