Vom 10. – 12. Mai 2012 trafen sich die Landesreferentinnen und –referenten des Förderschwerpunkts „Geistige Entwicklung“ zu ihrem diesjährigen Treffen in Erfurt. Die Vertreter von 14 Bundesländern arbeiteten in dieser Zeit mit zielgerichteten Diskussionen in Kleingruppen zu folgenden Schwerpunkten:
1) Austausch über den Stand der Inklusion von
Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ in
den Bundesländern
2)
Überarbeitung der Standards zur sonderpädagogischen
Förderung im Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“
3) Subjektzentrierte Bildung im Förderschwerpunkt „Geistige
Entwicklung“
4) Überlegungen zur Qualifikation von
Regelschullehrkräften bei integrativer / inklusiver Beschulung von Kindern und Jugendlichen
mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“
5) Bildung im Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ in Thüringen am Beispiel
der Schule am Zoopark
6) Bearbeitung des Antrags 7 der Hauptversammlung Saarbrücken: Unterricht,
Therapie und Pflege als untrennbare Bestandteile der schulischen Bildung
7) Überlegungen zu einem Bundesfachkongress der Förderschwerpunkte „Körperliche
und Motorische Entwicklung“ und „Geistige Entwicklung“
8) Überlegungen zur Vorbereitung einer gemeinsamen Tagung mit dem
Referat „Förderschwerpunkt Lernen“
Zu 1) Auf der Basis einer informellen Umfrage unter den Landesreferentinnen und -referenten gab es einen Austausch über den Stand der Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ in den jeweiligen Bundesländern. Etwas vereinfacht und zusammengefasst wurde im Diskurs dabei deutlich, dass:
- bislang die Möglichkeiten einer inklusiven Bildung noch sehr stark von örtlichen Gegebenheiten abhängig sind.
- der Gewinn einer inklusiven Beschulung für die beteiligten Akteure oft nicht genügend transparent ist.
- Inklusive Bildung für Menschen mit diesem Förderschwerpunkt häufig nicht angemessene Chancen zu sozialen Kontakten untereinander beinhaltet.
- Unterricht immer noch nicht durchgehend von voll ausgebildeten Sonderschullehrkräften geplant und umgesetzt wird, wodurch eine besondere Hürde auf dem Weg zu mehr Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ besteht. Bildung im Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ sowohl in Sonderschulen/ Förderzentren als auch im gemeinsamen Unterricht erfordert die höchste Qualifikation der Lehrkräfte.
- für Kinder und Jugendliche in inklusiven Situationen vielfach nicht genügend bedarfsorientierte spezielle Angebote mit einer entsprechend umfassenden sächlichen und räumlichen Ausstattung vorgehalten werden.
Als Konsequenz soll auf der nächsten Hauptversammlung ein entsprechender Antrag eingebracht werden. Die Qualität der Bildung für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ in inklusiven Settings muss im Sinne von Ressourcen-, Prozess- und Ergebnisqualität gesichert sein.
Zu 2) Die Standards der sonderpädagogischen Förderung im Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung““ wurden in Hinblick auf aktuelle Gegebenheiten im Kontext inklusiver Bildung erneut überarbeitet. Dabei wurden die Standards zwecks eines besseren Überblicks kategorisiert und vielfach im Sinne von Kriterien und Indikatoren detaillierter gefasst. Die aktuelle Fassung steht in Kürze auf der Homepage des vds.
Zu 3) Bundesreferent Hendrik
Reimers referierte über ein „Subjektzentriertes
Verständnis von Diagnostik, Förderung und Begleitung“ im Förderschwerpunkt „Geistige
Entwicklung“. Dabei wurden zunächst die
nachfolgenden Behauptungen skizziert und erläutert:
Im Sinne von Empowerment und
Inklusion ist die übergeordnete Leitidee im Förderschwerpunkt „Geistige
Entwicklung“, die Schülerinnen und Schüler in Hinblick auf eine optimale
subjektive Lebensqualität in Inklusion zu unterstützen und zu begleiten.
Fit sein im Leben ist demensprechend das Ziel jeglicher Unterstützung und Begleitung. Das bedeutet:
- Schülerinnen und Schüler in die Lage zu versetzen, den sich wandelnden Herausforderungen gewachsen zu sein
- Schülerinnen und Schülern in ihrer Lebenswirklichkeit Angebote zu machen
- Schülerinnen und Schülern permanent positive Identitätsentwicklungen zu ermöglichen.
Daraus folgt, dass
professionelle Unterstützung und Begleitung seitens der Lehrkräfte
gekennzeichnet sein müssen durch die Organisation der Selbstorganisation der
Schülerinnen und Schüler. Damit unabdingbar verbunden ist eine Berücksichtigung
der subjektiven Perspektiven der Kinder und Jugendlichen.
Nach diesen
Auslegungen skizzierte Hendrik Reimers den Aufriss eines darauf aufbauenden
4-Säulen-Modells mit entsprechenden didaktisch-methodischen Ausführungen.
Es folgte eine
anregende Diskussion über die Möglichkeiten „subjektzentrierter Bildung“ im
aufgezeigten Sinne im Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ sowohl in
Förderzentren als auch in inklusiven Settings.
Zu 4) Für eine gelungene inklusive Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ ist ein umfassender gegenseitiger Kompetenztransfer zwischen Sonderschul- und Regelschullehrkräften unverzichtbar. Im Rahmen eines Austauschs der Landesreferentinnen und -referenten zur „Qualifikation von Regelschullehrkräften bei integrativer / inklusiver Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ konnten die folgenden Statements über zu vermittelnde Informationen und Methoden zusammengestellt werden:
1) Informationen über den
Bildungsgang „Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ werden gegeben. Dabei
stehen Überlegungen zu Empowerment, gleichberechtigter Umsetzung der
unterschiedlichen
Bildungsgänge, Ziele in der Bildung im Förderschwerpunkt „Geistige
Entwicklung“ und lernzieldifferenter Unterricht im Mittelpunkt.
2) Erläuterungen zu Strukturierungen
und Visualisierungen und damit zusammenhängend zu Regeln und reduzierter
Verbalsprache im Unterricht mit Kindern und Jugendlichen mit Förderschwerpunkt
3) Hinweise zu einem
individualisierenden Unterricht im Sinne subjektzentrierter Bildung.
4) Anleitung zur Entflechtung und
Reduzierung von Lerngegenständen bis hin zu basalen Angeboten.
5) Auskünfte über das Phänomen
„Geistige Behinderung“ und die extreme Heterogenität der Schülerschaft.
6) Gegebenenfalls Aufklärung zu
Verhaltensphänotypen bei Schülerinnen und Schülern mit bestimmten Syndromen.
Diese Auflistung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll weiter überarbeitet und ergänzt werden.
Zu 5) Hubert Nekola stellt die Schule am Zoopark mit ihrem Netzwerk in Erfurt vor. In der anschließenden Diskussion werden die Strukturen der Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ in Thüringen verdeutlicht und Möglichkeiten auf dem Weg zur inklusiven Bildung aufgezeigt.
Zu 6) Der Antrag 7 „Unterricht, Therapie und Pflege als untrennbare Bestandteile der schulischen Bildung“ wurde bearbeitet und folgende Statements zusammengestellt:
- Lerntherapeutische Angebote, durchgeführt von pädagogischen Mitarbeitern mit therapeutischer Kompetenz und Förderpflege, durchgeführt von Lehrkräften oder delegiert an pädagogische Mitarbeiter, sind ebenso wie Unterricht unverzichtbare Bestandteile schulischer Bildung.
- Externe Therapien und Pflegeleistungen sind bei besonderem individuellem Bedarf zusätzlich in den Schulalltag zu integrieren.
- Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf „Geistige und Körperlich / Motorische Entwicklung benötigen oft unterrichtsimmanent Therapie und Pflege. So kann z.B. eine bewegungserleichternde Lagerung Voraussetzung für schulisches Lernen sein.
- Therapeutische und pflegerische Situationen bieten im Sinne einer ganzheitlichen Bildung vielfältige basale Lernanlässe für Wahrnehmung, Denken und Kommunikation. Gerade für die Anbahnung kommunikativer Kompetenzen sind verlässliche und vor allem vertraute Bezugspersonen unabdingbar.
- Pflege ist eine intime Situation, die Bezugspersonen in bekannter räumlicher Umgebung in einer vertrauten Atmosphäre voraussetzen.
- Zum Erhalt der physiologischen Leistungsfähigkeit kann eine Integration von Therapien in den Schultag erforderlich sein.
- Für Therapeuten und Pflegefachkräfte in der Personalausstattung der Schulen sind zusätzliche Ressourcen notwendig. Der pädagogische Personalbestand bleibt davon unberührt.
- Für ein optimales Bildungsangebot in der Schule ist eine multiprofessionelle Vernetzung im Team Voraussetzung.
Zu 7) Nach zwei Diskussionsrunden über eine mögliche thematische Ausrichtung eines Fachtages wird von dem Referat Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung das Thema „Medien“ favorisiert.
Für eine nachhaltige Förderung in den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung und körperlich-motorische Entwicklung im Sinne einer Vorbereitung auf das nachschulische Leben ist sowohl der angemessene Einsatz von als auch die Schulung im Umgang mit aktuellen Medien eine unabdingbare Voraussetzung. Eine qualitativ hochwertige Begleitung und Unterstützung erfordert in einer umfassend medialen Welt eine dauerhafte Fort- und Weiterbildung seitens des professionell tätigen Lehrpersonals, um mit entsprechenden Kompetenzen eine auf die jeweilige Schülerin/ den jeweiligen Schüler zugeschnittene Förderung im Rahmen multiprofessioneller Zusammenarbeit gewährleisten zu können. Im Kontext eines Fachtages können Programme und Medien einerseits für einen barrierefreien Zugang zur Medienwelt und andererseits für Einsatzmöglichkeiten im Unterricht mit den sich daraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten für Lernräume vorgestellt und diskutiert werden.
Zu
8) Die nächste Tagung der Landesreferentinnen und
-referenten findet
voraussichtlich vom 6.-8. Juni 2013 in Kooperation mit dem Referaten
"Förderschwerpunkt Lernen" in Leipzig statt. Für den gemeinsamen Part
werden aus dem Referat Förderschwerpunkt
Geistige Entwicklung bisher folgende Arbeitsschwerpunkte anvisiert:
„Grenzbereich Förderschwerpunkte
Geistige Entwicklung und Lernen“, „Berufliche Orientierung“,
„Ressourcenzuweisung“.
Für eine Referatsinterne Bearbeitung
sind bislang folgende Tagesordnungspunkte angedacht:
„Ausbildung 1. und 2. Phase im
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung“, „Medien und Förderschwerpunkt Geistige
Entwicklung“, Überlegungen zum gemeinsamen Fachtag mit dem Referat
körperlich-motorische Entwicklung im Frühjahr 2014“.
Hendrik Reimers