Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Benutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu und akzeptieren unsere Datenschutzerklärung.
Individuelle Rehabilitation in Sozialräumen
Interdisziplinärer Dialog in Berlin

Seit über 100 Jahren organisiert die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) den interdisziplinären Dialog mit und für Menschen mit Behinderungen. Am Beginn dieser Entwicklung stand die Betreuung im Rahmen der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge. Heute prägen die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft und die Zielvorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) die Arbeit der DVfR. Während des DVfR-Kongresses 2011 in Berlin bot sich den weit über 200 Teilnehmern die Gelegenheit, die gegenwärtigen Entwicklungen in der Rehabilitation zu diskutieren und dabei die nationalen und internationalen Herausforderungen sowie Lösungsansätze eingehend zu erörtern. Dabei wurden die Impulse der BRK für die Weiterentwicklung der Rehabilitation in engem Bezug zur Lebenswelt von Menschen mit Behinderungen aufgegriffen.
Eine gut vernetzte rehabilitative Unterstützung zum Erhalt von Selbstständigkeit und Teilhabe sei vor allem dort vonnöten, wo Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen heranwachsen, leben und arbeiten. Der Begriff des inklusiven Sozialraums verweist dabei nicht nur auf die räumliche Dimension der sozialen Wirklichkeit, sondern sollte immer die Grundlage für Planung, Gestaltung und Kontextbezug von Hilfsangeboten sein.
Das Engagement der DVfR für Bürgerinnen und Bürger mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen prägt die Arbeit dieser Organisation mit den Zielen: Selbstbestimmung zu ermöglichen, Teilhabe zu sichern, schulische und berufliche Perspektiven zu schaffen.
Daher war auch das Programm des Kongresses breit gefächert. Die Workshops beschäftigten sich u.a. mit den Rehabilitationsstrukturen und ihrem Sozialraumbezug im Licht der BRK, der Hilfsmittelversorgung in inklusiven Sozialräumen oder speziellen Angeboten für Menschen mit erhöhtem Pflegebedarf. Für den Verband Sonderpädagogik von besonderem Interesse war die aktive Teilnahme am Workshop zum Thema »Rehabilitationsangebote in Sozialräumen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen – Optionen für mehr Inklusion«.
Unter der Moderation von Prof. Dr. Sieglind Ellger-Rüttgardt wurden verschiedene Themenbereiche diskutiert. Dr. Maike Pellarin stellte Beispiele stationärer Kinder- und Jugendrehabilitation vor und Dr. Christoph Kretzschmar erläuterte die Einflüsse der BRK auf die künftige Praxis der Sozialpädiatrie. Die Bedingungen für eine gute inklusive Schule im Sozialraum wurden von Dagmar Kuhle und der Berichterstatterin dargestellt.
Grundlage der dargestellten Erfordernisse für einen zukunftsträchtigen Gemeinsamen Unterricht bildeten die Thesen des vds zum Handlungskonzept für eine Inklusive Schule. Zum Schluss erläuterte Prof Dr. Sieglind Ellger- Rüttgardt Forderungen für ein rehabilitationspädagogisches Konzept, um die auf den Sozialraum bezogene Vernetzung von wohnortnahen und trotzdem spezialisierten Angeboten sowohl der Schule als auch von Jugend- und Sozialhilfe umzusetzen. Die Zeit war leider zu knapp, um die angesprochenen Themenbereiche mit den Teilnehmern des Workshops intensiv zu diskutieren. Man war sich aber einig, dass auch bei einer durch die UN-Konvention geforderten Priorität der Inklusiven Schule die Pluralität der Angebote in der sonderpädagogischen Förderung unter Bewahrung der sonderpädagogischen Kompetenz gewahrt werden muss.
In der den Kongress abschließenden Plenumsrunde wurde über die Leistungsangebote für Menschen mit Behinderungen gesprochen. Die Positionen der unterschiedlichen Leistungserbringer wurden zum Teil kontrovers diskutiert. Ergänzt wurden diese Stellungnahmen mit Aussagen zu den Veränderungen des Schulsystems unter inklusiven Bedingungen und zur Sichtweise der Betroffenen, die sich mehr unabhängige Beratung auf der örtlichen Ebene wünschen. Dies sei hauptsächlich durch eine Stärkung der Verantwortung der Kommunen zu gewährleisten, um die bestehende Vielfalt an bedarfsgerechten, individuellen und barrierefreien Angeboten für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen zu erhalten bzw. auszubauen. Gegenwärtig würden noch häufig Widersprüche zwischen bestehendem, geltendem Recht und der Praxis in der Umsetzung der Gesetzlichkeiten in den unterschiedlichen Sozialgesetzbüchern bestehen. Die Aspekte der Wirtschaftlichkeit sollten deshalb nicht immer im Vordergrund der Bemessung von Leistungen der Rehabilitation stehen, sondern der »social return of invest«.
Der Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft mit umfassenden Teilhabechancen für alle, darin waren sich die Diskutierenden einig, sei trotz des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention noch ein langer Weg, wie Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann (DVfR) in seinem Schlusswort betonte.
Barbara Seebach  

zurück